Freitag, 10. Februar 2012

New Plymouth nach Christchurch - ab in den Sueden

Jeder Abschied bringt auch ein neues Abenteuer


Dann hiess es also weiterziehen. Nach dem Ereignis mit dem Kuehlschrank konnte Jaak es mit seinem unglaublich schlechten Gewissen kaum erwarten diesen Platz der Erinnerung zu verlassen und auch unseren "Hausherren" passte unsere Abreise ganz gut da sich neue Woofer angekuendigt hatten.

Wir wuerden von New Plymouth nach Wellington trampen, ungefaehr 500 km. Das Hostel fuer den Abend in Wellington war schon gebucht und angezahlt, die Tickets mit der Faehre auf die Suedinsel waren fuer den naechsten Tag um die Mittagszeit gebucht und ebenso bereits bezahlt. Das bedeutete wir muessten also auch tatsaechlich ankommen.

Leider begann der Tag mal wieder mit Regen. Die letzten Tage war recht schoenes Wetter gewesen, aber puenktlich zum trampen regnete es um uns sofort in die Realitaet zurueck zu holen. Das war unser Leben hier, die "Luxustage" mit Bett und Ueberdachung waren nur kleine Urlaube zwischendurch.
Es war frueh gegen 9 als wir begannen den Daumen heraus zu strecken, nur ein paar Meter von der Farm entfernt. Und es war halb 11, da standen wir noch immer an derselben Stelle. Wir fingen an etwas zu laufen, viel bringen wuerde das nicht, da der naechste Ort zu weit entfernt waere, aber wir hatten wenigstens etwas zu tun. Es fuhren nicht viele Autos und von den wenigen hielt auch keines an. Dann begann der Regen richtig. Eine Weile stellten wir uns unter und versuchten den Mut nicht zu verlieren, aber wir waren genervt. Richtig genervt und enttaeuscht, fragten uns einmal mehr, was wir denn in Neuseeland eigentlich verloren haben. Doch alles wird besser wenn wir auf der Suedinsel sind sagten wir uns, dort finden wir einen Job und mit etwas Geld wird das alles auch wieder einfacher. Da wir nach zweieinhalb Stunden noch immer an derselben Stelle standen und nun etwas gestresst wurden da wir ja unser Hostel und Faerenticket schon gebucht hatten, fingen wir an uns um andere Moeglichkeiten nach Wellingtion zu kommen zu bemuehen.

Tapfer versucht man sich bei Laune zu halten beim hoffnungslosen Trampen im Regen
Einen Zug gab es allerdings nicht. Blieb also nur noch der Bus, wovon der erste ausgebucht war und der zweite erst am naechsten Morgen fahren wuerde! Auf das Hostelgeld haetten wir ja verzichtet, aber die Faehre waere damit auch weg gewesen und das wollten und konnten wir uns nicht leisten. Also blieb doch wieder nur trampen uebrig und auf das Beste hoffen.

Wir  liefen wieder ein Stueck und es war eine Mutti mit ihrer Mutti und ihrer Tochter die uns schliesslich der Einsamkeit entrissen, mein Gott waren wir froh!! Nun war alles einfacher, wir fanden noch drei oder vier andere Mitfahrgelegenheiten und mussten nie lange warten. Wieder einmal fiel auf wie all die grossen, protzigen Autos die noch vier freie Plaetze hatten vorbei fuhren, die kleinen Autos aber, welche schon vollgepackt mit Menschen und Gepaeck waren, die hielten an und versuchten ersteinmal fuenf Minnuten lang einen Platz fuer uns frei zu schaufeln. Als letztes fuhren wir mit einem Mann von "Nelson", was auch auf der Suedinsel liegt. Er gab uns seine Adresse und sagte wir sollen nicht zoegern wenn wir in der Naehe sind fuer eine Mahlzeit oder eine Nacht vorbei zu kommen. Ach, welch eine Erleichterung als er uns mit nahm, mittlerweile scheinte auch wieder die Sonne, es war um die Mittagszeit und er bot uns Mitfahrgelegenheit fuer die naechsten drei Stunden an, direkt nach Wellington! Nur die letzten paar km fuhren wir mit dem Zug wieder in den Regen und konnten es kaum erwarten in unseren Hostelraum zu kommen.

Jaak sitzt im Schrank und nascht ein Schaelchen Cornflakes am naechsten Morgen, was fuer uns echt Luxus ist.


So war es kein grosser Schritt als es am naechsten Tag auf die Faehre ging und ich mich einmal mehr wunderte welche Luxusstaetten mit TV- Raum und Restaurants doch mittlerweile daraus geworden sind.

Ich verschlief die Fahrt mit der Faehre fast ganz

Die Faehre legte in Wellington ab und kam ein paar Stunden spaeter in "Picton" an, in der Sonne!!! :) Wir hatten uns bereits die Karte angeschaut und gedacht es waere einfach eine Stelle zum Zelt aufbauen zu finden, da um Picton herum alles gruen gemalt war. Doch wir hatten nicht gewusst, dass dieses Gruene alles Berge sind, richtig steile Berge, was es unmoeglich macht dort ein Zelt aufzubauen. Also suchten wir herum. Als es begann dunkel zu werden fanden wir mitten in der Stadt eine kleine alte Einfahrt umgeben von Baeumen. Ich wartete dort mit unserem Gepaeck waehrend Jaak sich auf machte evtl. einen besseren Platz zu finden, denn hier wuerden womoeglich Menschen ab und zu entlang laufen wie wir an den Spuren deuten konnten. Als Jaak wiederkam hatte er den ultimativen Platz gefunden. Ein Wanderweg fuerte einen unglaublich matschig-rutschigen Weg hinauf bis wir nach ca. 10 Minuten an das "Zeichen" kamen. Das Zeichen war ein Stock auf dem Weg den Jaak extra dort hingelegt hatte, weil es sonst unmoeglich gewesen waere diesen Platz wieder zu finden.

Koennt ihr ihn sehen? In der Mitte des Fotos liegt ein Stock, unser Zeichen in den Busch abzubiegen
 
Ich habe nicht die geringste Ahnung wie Jaak diese Stelle hatte finden koennen, so mitten im Gebuesch. Erst machten wir unseren Weg durchs hohe Gras und unter Baeumen und Bueschen hindurch, was mit dem Gepaeck eine kleine Herausforderung war, dann mussten wir einen kleinen rutschigen Abhang herunterrutschen, zu rutschig um hinunter zu laufen. Und da war er auch schon unser kleiner geheimer Platz, es war ein ehemaliger, nun mit Gestruepp ueberwucherter Weg der exakt dieselbe Breite hatte wie unser Zelt, womit wir auch ebenerdig schlafen konnten. Ich war ploetzlich so entspannt hier in unserer Einsamkeit in der uns sicher keiner finden wuerde, die Sonne leuchtete rot beim untergehen und es war auch noch recht warm, ich dachte schon wir sollten hier einfach ein paar Tage verweilen und uns ausruhen.

Zaehne putzen


Doch am naechsten Morgen aenderte ich meine Meinung wieder und mein groesster Traum war es nun sobald wie moeglich ein Auto zu finden um einen regensicheren Schlafplatz zu zu besitzen. Denn in der Nacht waren die Tropfen wieder gefallen, was uns in Jaaks Zelt nicht allzuviel ausmachte weil das ausnahmsweise sogar regendicht ist (einen Luxus den ich von vorher noch nicht kannte, in meiner ganzen Reisezeit wurde ich stets nass in Zeltnaechten wo das Wasser von oben und unten kam, wenn ich da vor allem an die Anfangszeiten mit Sabs und Anne denke...). Wir machten uns nur Gedanken ob der Schlamm die Kraft haette uns im Zelt den direkt neben uns beginnenden Abhang hinunter zu ziehen, doch nichts dergleichen geschah.

So trampten wir am naechsten Morgen nach "Blenheim", dort sollte es einen Backpackerautomarkt geben und Jaak in seiner Begeisterung sah uns schon heute Abend im Auto liegen. Na gut, das bezweifelte ich ja ein wenig...
Es war nur ungefaehr eine halbe Stunde Fahrt, als wir zu einem Suedafrikaner ins Auto stiegen wurde aus dem Nieselregen starker Regenfall. Wie schoen wenn man in solchen Momenten ein Dach ueber dem Kopf hat...


Der Suedafrikaner lebte schon seit etlichen Jahren in Neuseeland und war damals abgehauen weil ihm das Land zu gewalttaetig erschien. Suedafrika... das Land in welches ich beinahe gegangen waere anstatt nach Australien zu kommen. Was wohl anders gelaufen waere? Jaak haette ich zumindest nicht kennen gelernt.
Unser Fahrer erzaehlte wie er einmal in der Heimat aus einer Bar kam und ein Fremder begann ihn mit einem Messer zu bedrohen um sein Geld zu bekommen. Doch bevor der Fremde zustechen konnte entwendete ihm unser Fahrer das Messer und stach selbst zu. Dann rannte er davon. Was aus dem Fremden geworden ist hat er nie erfahren, denn solche Dinge sind an der Allltagsordnung und es wird kein Trubel darum gemacht, doch so wie er ihn mit dem Messer getroffen hatte war unser Fahrer sicher der Andere waere tot.
Ich konnte lange nicht aufhoeren ueber dieses Ereignis nachzudenken, auch wenn es Notwehr gewesen war. Und ich konnte auch den Gedanken nicht verdraengen, dass ich ja dann gerade mit einem Moerder im Auto sitze...



Dieser junge Mann verriet uns auch schon was wir bald selber herausfinden sollten als er uns in "Blenheim" heraus liess. Es gab keinen Automarkt mehr, die Stadt hatte ihn geschlossen. Man sieht es nie gerne wenn zu viele Backpacker auf einem Haufen sind, die versuchen immer nur das Billigste zu bekommen, schlafen unerlaubt auf irgendwelchen Grundstuecken, lassen vielleicht noch ihren Muell liegen... Ein wenig haben sich die Backpacker das wohl selbst zu verdanken, traf ich doch etliche die immer mal wieder im Supermarkt etwas zu Essen stehlen...

Es regnete, wir hatten diesmal keinen Regenschutz und ohne wasserdichte Schuhe waren unsere Fuesse nass und kalt. Wir waren genervt und enttaeuscht, was gleich zum naechsten Streit fuehrte. Was sollten wir denn nun tun? Wieder stundenlang im Regen herum suchen nach einem Zeltplatz mitten in der Stadt? 50 Dollar fuer eine Hostelnacht ausgeben? Alle moeglichen oeffentlichen Gebaeude nach Aushaengen fuer Autos zum Verkauf absuchen? Jaak wollte am liebsten gleich weiter nach Christchurch, das hatten wir ja eh geplant wenn unser Plan mit Blenheim nicht aufgehen wuerde. Doch es war bereits Mittag, 300 km bis nach Christchurch und ich hatte unser Glueck beim letzten Trampen noch nicht vergessen... Letztendlich war es ganz egal was wir taten, wir vertrugen uns wieder, stellten uns an die Strasse und streckten den Daumen heraus. Wuerde uns keiner mitnehmen, wuerden wir uns einfach einen Zeltplatz ueber Nacht in der Naehe suchen und es am Morgen weiter versuchen.

Doch wir hatten Glueck, grosses Glueck sogar! Nach einer viertel Stunde stiegen wir nass ins Mietauto eines Neuseelaenders, er wuerde uns die ganzen 300 km nach Christchurch mitnehmen! Unterwegs gab er uns "Fish und Chips" aus, womit wir also auch unsere warme Mahlzeit hatten. Und er bot uns einen Job an. Unkraeuter mit Unkrautvernichter einspruehen, den lieben langen Tag lang. Zugegeben, nicht der schoenste Job und auch nicht so richtig mit unseren Ansichten vertetbar, aber wir brauchten eben Geld und somit einen Job. Ein Hostel hatten wir fuer Christchurch noch nicht gebucht, wir hatten ja ein paar Stunden vorher gar nicht gewusst das wir heute schon dort sein wuerden. Als wir nun, noch im Auto sitzend, versuchten einen Platz zu bekommen, waren irgendwie alle Hostels ausgebucht oder schon geschlossen. Da bot uns unser netter Fahrer an wir koennten doch in seinem Buero schlafen! Das taten wir dann auch, suchten uns extra den Raum ohne Computer aus um nicht ausversehen etwas zu zerstoeren. Die naechsten Tage und Wochen versuchten wir diesen Mann immer wieder zu erreichen um nach dem Job zu frage, aber er antwortete nie und meldete sich auch nicht von sich aus, den Job bekamen wir also nicht.

Unsicher, dieses Gelaende darf nicht betreten werden

Das grosse Erdbeben was Christchurch erschuettert hatte war nun ungefaehr ein halbes Jahr her. Wir waren gespannt ob denn noch Folgen davon zu sehen waren und ich musste mich manchmal selbst wach ruetteln, nach einem halben Jahr erwartete ich quasi noch die Haeuser im Fallen zu sehen, was unsinnig ist dachte ich.

Wir hatten mit unserem Fahrer am Abend vorher darueber geredet, doch bis auf ein paar Risse in einigen Haeusern war nichts zu erkennen gewesen. Als wir nun zum Stadtzentrum kamen wurden wir Beide merklich stiller. Es gab immer weniger zu sagen ueber das was wir sahen, die anfaenglichen Ausrufe wie "ui" und "ohje" wichen bald einem Schweigen in dem jeder mit seinen eigenen Emotionen kaempfte. Zaeune waren um viele Gelaende aufgebaut wurden und Schilder mit "Unsicheres Gelaende". Die erste Baustelle: Eine Wand des Gebaudes stand noch, zumindest halb, die Fenster nur als schwarzes Loch zu erkennen weil das Glas herausgesprungen war.Um das ehemalige Haus Steine, Dreck, ueberall Bauschutt. Es war nicht einmal angefangen dort aufzuraeumen, was uns stark wunderte. Doch wir sollten das noch viele Male sehen, die Folgen des Bebens waren einfach so enorm, die Aufraeumarbeiten wuerden scheinbar noch ewig anhalten. (Und nun hatten sie ja um Weihnachten herum gleich wieder ein staerkeres Erdbeben falls ihr das mitbekommen habt) Wir gingen weiter und sahen immer mehr Bauarbeiter die an Strassen und Haeusern herumwerkelten, im Gegensatz zu uns hatten sie ihr Lachen nach all der Zeit schon wieder gefunden. Gerade bewegte der Bagger Steine von einem riesigen Haufen Schutt zur Seite, Jaak gaab mir zu Bedenken, dass es ja immer noch moeglich waere Leichen darunter zu finden...



Dann kamen wir zu einem Zaun und wussten nun das wahr ist was wir schon vorher gehoert hatten: Das gesamte Stadtzentrum war noch immer im Umkreis von mehreren Kilometern gesperrt! Hinter dem Zaun gab es mehr halbe als ganze Haeuser. Wir kamen zu der Erinnerungsbruecke, sie erinnert an Kriege und an andere Ereignisse in denen Menschen starben, nun hingen frische Blumen am Zaun und ein Zettel mit biblischen Zitaten. Diesen Zettel sollten wir spaeter noch oefter sehen und wir vermuteten er war an den Grundstuecken aufgehaengt worden, wo Menschen umgekommen waren.
Wir trafen auf eine Frau und erlebten wie offen die Menschen ueber die Katastrophe reden, sie sagte es war schrecklich gewesen, aber wie fuer so viele Andere die hier leben ist es einfach IHRE Stadt und sie moechte nicht weg. Ihr Mann arbeitet jeden Tag auf der anderen Seite des Zaunes und hilft beim aufbauen, sie kommt jeden Morgen hierher und schaut sich die Veraenderungen an.

Der Kirchturm auf der Wiese neben der zerstoerten Kirche, alte Gebaeude hatte es am meisten getroffen konnte man eindeutig erkennen

Das Hostel was wir suchten sollte nach Internet noch immer da sein und nun sahen wir, es ist wohl auf der anderen Seite des Zaunes. Wir liefen also darum herum und hatten viel Zeit uns die Zerstoerung anzuschauen. Oft mussten wir auf der abgezaeunten Strasse laufen, denn die Fussgaengerwege und Bordsteinkanten hatten sich gaenzlich verschoben, die Steine einfach nach oben "herausgepresst".

Wege und Plaetze einfach komplett verschoben und kaputt, unglaublich welche Kraefte hier gewirkt hatten

Das unglaublichste Bild war fuer mich das eines Hauses, an dem einfach eine Seitenwand fehlte, sonst war es vollkommen erhalten.Man konnte hinein schauen, Tische, Stuehle, Schraenke, sogar die Treppenstufen von der Seite sehen! Genau wie in einem Barbihaus wenn man es aufklappt.



Der Nachbar dieses Hauses erzaehlte uns spaeter, dass auf dem leeren Platz rechts daneben auch ein Haus gestanden hatte, vollkommen zerstoert. Das Haus auf der linken Seite hatte keinen Kratzer abgekriegt. Ja, oft ist es einfach Glueck oder Unglueck, trotzdem waren die "Armenviertel" ungemein mehr geschaedigt als die "Reichen". Das liegt wohl auch daran, dass man mit mehr Geld sicherere Haeuser bauen konnte. Auch jetzt noch, 6 Monate nach dem Erdebeben hatten diese "Armenviertel" kein fliessendes Wasser und teilten sich ein Plumpsklo auf der Strasse mit den Nachbarn.

In diesem Haus hatten ein paar Studenten gewohnt. Sie arbeiteten in dem grossen Gebaeude im Stadtzentrum, in welchem die meisten Leute umkamen (insgesamt gab es wohl 150 Verstorbene im Erdbeben). Diese Studenten ueberlebten nur weil sie in der Mittagspause beschlossen sich gemeinsam etwas zu Essen zu kaufen und somit "ausser Haus" waren.

Wir unterhielten uns mit vielen Erdbebenopfern in den naechsten Tagen und hoerten so einige Geschichten. Es war nicht moeglich gewesen sich auf den Beinen zu halten, man fiel einfach um. Und welch eine schauerliche Erfahrung muss es erst sein die Gebaeude neben einem einstuerzen zu sehen und die Strommasten auf einen zukommen zu sehen. Wir lernten, dass wir uns auf die Tuerschwelle stellen muessten wuerden wir je ein Erdbeben erleben und seien zu diesem Zeitpunkt im Haus. Auf keinen Fall panisch hinaus rennen, dort koennte man anstatt vom eigenen Haus von vielen Anderen erschlagen werden. War man draussen, muesste man in die Mitte der Strasse rennen. Wir erlebten in unserer ganzen Neuseelandzeit allerdings kein Erdbeben bisher.

Was das wohl gewesen ist? Eine Tankstelle? Bushaltestelle?
Mir fiel aber auch auf, dass sich die Menschen in dieser Stadt untereinander gruessten wenn sie auf der Strasse aneinander vorbei gingen. Sie erschienen mir von allen Orten an denen wir bisher in Neuseeland gewesen sind am freundlichsten, eine Not schweisst eben doch zusammen.

Am ersten Tag liefen wir an einer komplett zerstoerten Haeuserreihe vorbei, die Raeume teilweise offen, die Mauern so verschoben das sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen waren. Ein ganzer riesiger Platz voll eingezaeuntem Dreck und Schutt, die Menschen bei irgendwelchen Freunden, in Hostels oder Motels untergekommen. Und da fuehlte ich wieder die Verzweiflung, dasselbe Gefuehl was mich damals in den Phillipinen erstmals ueberkommen hatte und ich seitdem nicht wieder erlebt hatte. Die Traenen steigen in meine Augen, aber ich konnte nicht weinen. Alles was ich fuehlen konnte war Ablehnung, Verdraengung. Ich kann das nicht ertragen, moechte nicht an diesem Ort des Leides sein wenn ich doch eigentlich nur in Neuseeland bin, wo das reisen so einfach ist und alles gut. Lieber wollte ich in meiner kleinen heilen Welt bleiben, eine Welt in der man das Leid nur im Fernsehen weit weg sieht, wo man zwar darueber nachdenkt, aber eigentlich kann man wegen der Entfernung gar keinen Bezug dazu aufbauen. Ich haette nie gedacht, dass es so anders ist wenn man es mit eigenen Augen sieht und erfaehrt.

 Ca. 150 Menschen starben insgesamt, wurde uns gesagt.
Auch Jaak ging es nahe merkte ich. Seine Traurigkeit zeigte sich allerdings in Aerger und so kam es wieder zum Streit, warum wir denn jetzt in dieses Hostel gehen welches inmitten der Stadt und somit innmitten der Gefahrenzone liegt und so weiter. Zusaetzlich hatte er irgendetwas verdorbenes gegessen und hatte unsaegliche Bauchschmerzen. Nachdem wir schon aufgegeben hatten dieses besagte Hostel zu finden, fanden wir es doch noch, in einer ganz anderen Strasse als die angegebene. Dort wohnten wir fuer die naechsten 3 Naechte und lernten gleich zu Beginn einen Japaner kennen, der sein erstes Haus in Japan durch ein Erdbeben verloren hatte, deshalb nach Australien gekommen war, sein zweites Haus wurde dort durch einen Orkan zerstoert, er kam nach Neuseeland, und nun war sein drittes Haus im Erdbeben gefallen. Das alles erzaehlte er mit einem Lachen. Er hatte ja sein Leben noch.

Ganz am Ende sahen wir dieses unglaubliche Bild in einem der aermeren Viertel. Die Haeuser waren durchs Beben an den Klippenrand verschoben worden und Teile davon hingen nun ueber den Rand hinunter. Am unteren Rand der Klippen war die Strasse mit einer ganzen Reihe Schiffscontainer abgegrenzt worden, wohinter sich Felsbrocken und "Hausreste" sammelten. 

Jaak und ich gingen in den naechsten Tagen mehr und mehr unseren eigenen Beschaeftigungen nach, wir hatten uns merklich voneinander entfernt. Er war ungluecklich mit der ganzen Situation, mit dem Leben. Fuer diese Tage brach fuer mich eine kleine Welt zusammen und ich war ueberzeugt er wuerde Schluss machen.

Kochen im Hostel

 

Aber er tat es nicht. Anstattdessen kaufte er uns schon am dritten Tag in Christchurch ein Auto. Er kaufte den Ford Telsta guenstig einem Tschechen ab der bald das Land verlassen wuerde. Es war zwar schon 360 000 km gefahren, quasi ein paar Runden um die Welt, aber der Mechaniker untersuchte es noch bevor wir es kauften und gab ihm die "WOF" (TÜV) ohne weiteres. Ein Restrisiko wuerde immer bleiben, alles koennte auch der Mechaniker nicht sehen und ich hatte es ja nun schon einige Male erlebt wie Autos Probleme bereiten koennen...

Yeah, neues Auto!
Nun lebten wir also im Auto. Ich kann euch gar nicht sagen welch unglaubliche Freude in mir aufkam als es das erste Mal draussen zu nieseln anfing und ich dem Regen am liebsten "Haha, du kriegst mich nicht mehr!" von hinter der Scheibe zugebruellt haette. Doch ich realisierte noch rechtzeitig, dass der Regen wahrscheinlich nicht nur vom Himmel fiel um mich zu aergern.

Haha Regen,  du kriegst uns nicht mehr!
Anstatt  Regen gibts jetzt nur noch Wasser von oben mit unserer Campingdusche.  Einfach Wasser rein, ein paar Stunden in die Sonne legen und los gehts!
 
Langsam wurde ich wieder Herr ueber meine Gefuehle. Jaak beruhigte sich und ich fing an mich an die Zerstoerung wie alle Anderen zu gewoehnen und langsam auch wieder zu vertrauen, dass Jaak mich doch nicht verlassen wird. Er haette unglaublich gerne ein bisschen Zeit fuer sich gehabt, seitdem wir zusammen waren hatten wir jeden Tag aufeinander gehockt, aber es ist einfach schwer wenn man zusammen reist eigene Wege zu gehen. Nun lebten wir zusammen im kleinsten Raum den es wohl gibt: Ein Auto. Aus seinem Plan einen mehrtaegigen Spaziergang zu machen wurde nichts, da es wieder hauptsaechlich nur regnete.

Wir waren uns auch immer noch nicht sicher was wir denn eigentlich wollten, Arbeit ja, aber wo? Ich bewarb mich fuer ein paar Nannyjobs in Queenstown, aber die waeren nur fuer ein paar Stunden die Woche und das wuerde uns ja nicht viel weiter helfen. Ausserdem wollte Jaak auch nicht gerne in der Stadt bleiben, lieber wuerde er auf einer Farm Kuehe melken. Auch getrennt gelebt haetten wir fuer ein paar Wochen, aber dafuer muessten wir auch Beide ersteinmal sicher sein, dass der Andere auch einen Job und eine Unterkunft hat. Ein paar Tage lang konnten wir mit Arbeit finden nicht viel ausrichten, weil Internetcafes und die Bibliothek geschlossen waren wegen oeffentlichen Feiertagen. Wir verkrochen uns irgendwo in die Natur, lasen, machten Lagerfeuer, entspannten in der unglaublichen Ruhe und unsere Kraefte wurden langsam wieder aufgetankt.

Einfach entspannen in der Sonne

Das war ganz ehrlich das schoenste kleine Feuer was ich je hatte, gebaut vom Feuerwehrmann Jaak ;)


Mit dem campen kamen natuerlich auch die Muecken wieder. Ich kringelte die Stiche mit einem Kuli ein, soll wohl helfen... Tat es nicht ;)

Dann gab es die Moeglichkeit auf einen Woofingplatz, 2 Stunden taeglich Hostel sauber machen fuer eine freie Unterkunft. Allerdings war dieses Hostel in "Arrowtown" bei Queenstown und das war 500 km entfernt... Machte es wirklich Sinn 500 km zu fahren fuer einen Job fuer den man nicht einmal Geld bekommt? Doch Jaak hatte schon nach den wenigen Tagen im Auto leben wieder genug davon und als die Frau uns am naechsten Tag den Job zusagte, war die Versuchung nach einem Bett und einer Dusche einfach zu gross, wir sagten sofort zu. Wann wuerden wir da sein? Naja, sicherlich spaet, es war ja schon Mittag und wir befanden uns noch immer in Christchurch... Oh, na gut, sie wuerde auf uns warten. Wir waren so voller Eifer nun wenigstens IRGENDWO zu beginnen, dass wir nicht einmal wirklich hoerten das wir schon 5 Tage spaeter dort wieder gehen muessten, weil das Hostel mit Gaesten ausgebucht waere....

Wir machten uns also mit unserem neuen Auto auf den Weg in eine mal wieder unbestimmte Zukunft.