Sonntag, 24. Juni 2012

Deutschland Teil 2/2 - Erfurt

Die schöne Stadt Erfurt! (Foto aus dem Internet)
 
Am Abend des 13.5. kamen wir in Erfurt an, eine Freundin holte uns ab und übergab uns den Schlüssel für die Wohnung in der wir die nächsten Wochen leben würden. Für den Moment hatten wir aber die Wohnung ganz für uns da die zwei verreist waren und das führte uns vor Augen, was wir mit unserem selbst gewählten Lebensstil aufgaben... Andere in unserem Alter haben ein "zu Hause" und jeden Tag den Luxus eines Bettes, durch ein geregeltes Einkommen braucht man sich auch kaum Sorgen machen ob der Kühlschrank stets gefüllt ist (es kommt nur darauf an mit WAS er gefüellt ist), aber wir - wir haben ja nicht einmal einen Kühlschrank den wir füllen könnten ;).
Wir genossen die Zeit Beide in der das Leben plötzlich so einfach war, aber wohnt man immer an einem Fleck, dann kommen zu viele Dinge hinzu die das Leben plötzlich wieder komplizierter machen. Die vielen Steuern die man zahlt und die Steuererklärung die man ausfüllen muss, die Miete die man jeden Monat zusammen kriegen muss, der ganze Berg Versicherungen der einem teilweise nicht einmal frei steht ob man sie überhaupt abschliessen MÖCHTE ( dadurch das ich mich gleich nach Ankunft in Deutschland wieder hier anmeldete, zahlte ich 150 Euro umsonst für die Krankenkasse. Einen Monat später fing ich nämlich an zu arbeiten und wurde darüber versichert, da aber in Deutschland niemand ohne Versicherung sein DARF musste ich den vorherigen Monat nachzahlen ohne das ich die Möglichkeit hatte zum Arzt zu gehen, es war ja schon zu spät. An dem Tag an dem ich Deutschland wieder verliess, hatte man mir aber noch immer keine Versicherungskarte zugeschickt und ich musste mir noch extra ein Blatt Papier besorgen um trotzdem zum Arzt gehen zu können).
Nein ganz ehrlich - diesen ganzen bürokratischen Stress vermisse ich überhaupt gar nicht und auch nicht die Langeweile die aufkommt wenn man ganz einfach alles hat und eben auch alles um einen herum schon kennt, dann vertreibt man sich die Zeit mit dem Fernseher oder irgendwelchen modernen Computerspielchen und dazu habe ich ganz einfach keine Lust.

Domplatz (Internetfoto)
Die nächste Woche genossen wir den "Luxus" allerdings sehr, alles ist schön wenn man es nicht zu oft hat. Die ganze Woche nutzten wir nur für uns zwei, denn wir hatten eine Menge Menschen getroffen in letzer Zeit und wollten es erst einmal wieder ruhig angehen. Ich ging arbeiten, allerdings nur 22 Stunden die Woche, was heisst ich hatte jeden Freitag frei und jeden Mittwoch arbeitete ich auch nur 4 Stunden ;) Ein Leben wovon man nur träumen kann - man arbeitet nur so viel bis man keine Lust mehr hat, bekommt aber trotzdem etwas Geld was zum sehr einfachen Leben reicht und hat nebenbei noch eine Menge Zeit zu tun, was man eben tun möchte. Ganz ehrlich, würde das nicht auch euch gefallen?

Morgens fuhr ich denselben Weg mit dem Fahrrad, den ich auch vor ein paar Jahren gefahren war. Meine erste Wohnung war nämlich gleich um die Ecke und der Weg zum Regenbogenkindergarten war derselbe wie der zur Schule, nur ein Stück kürzer. Das war ein merkwürdiges Gefühl, aber keineswegs schlecht!

Die freie Regenbogenschule mit dem Kiga in welchem ich 3 Wochen arbeitete.

Es war eine schöne Zeit im Kindergarten, kannte ich doch auch noch die Erzieher (Bezugspersonen oder Bezugis werden sie hier genannt weil sie die Kinder begleiten, aber nicht erziehen, da die Kinder sich ihrer Meinung nach selbst durchs Leben entwickeln und somit auch selbst "erziehen"), auch etliche Kinder erkannten mich wieder! Zusätzlich die Eltern, mit Einigen hatte ich sogar während meiner Reisezeit, zumindest spärlich, Kontakt gehalten.
Ich würde nie behaupten ich mag komplett alles was in dem Konzept des Kindergartens steht oder wie es umgesetzt wird, aber ich fühle mich immer wohl in dieser freien Umgebung in der vor allem mit Liebe gelehrt wird, die Kinder dürfen ganz einfach die meisten Erfahrungen selbst machen ohne das ihnen ständig auf die Finger geschaut wird, sie flitzen viel draussen herum und wenn ihnen warm wird, dann ziehen sie sich einfach aus und plantschen vielleicht im Wasser herum. Ihnen wird weder gesagt das sie Dienstags mit zum schwimmen kommen müssen, noch das sie Donnerstags mit zum Ausflugstag umher ziehen sollen, wenn sie keinen Hunger haben essen sie eben nichts zum Mittag, schlafen tun die Kinder deren Eltern es wünschen und die Kids werden nicht schulreif "gemacht", sie werden es von selbst.
Viel Geduld muss man mitbringen um in so einer Einrichtung zu arbeiten, denn Strafen gibt es nicht (höchstens logische Konsequenzen) und die meisten Probleme werden durch Reden gelöst. Doch es ist auch keine antiautoritäre Einrichtung wie ich lange Zeit dachte, ohne Regeln geht es auch hier nicht, nur machen (die meisten) Regeln einfach Sinn und sind auch für Kinder zu verstehen (ob sie die auch mögen ist eine andere Geschichte...), sie entstehen nicht nur weil der Erwachsene gewöhnlich in einer höheren Machtposition ist als das kleine Kind. Aufgeräumt werden muss damit man nicht auf das Spielzeug tritt und es kaputt geht, Schlagen/ Beissen/ Kratzen macht man nicht weil es jemandem anderes weh tut, Essen tut man weil man Hunger hat und in dem Raum der dafür gedacht ist, einfach weil sonst (erfahrungsgemäss) die Butterbrote in irgendwelchen geheimen Ecken landen und verschimmeln oder die Essensreste auf dem Sofa kleben. Schreit man in höchster Lautstärke im Freien umher stört das gewöhnlich keinen, schreit man allerdigs in einem Raum in dem Andere versuchen Bücher vor zu lesen, dann wird der kleine Schreihals mit seiner lauten Stimme höflich gebeten sich entweder zu beruhigen oder nach draussen zu gehen, die Gründe hierfuer werden dem Kind immer erklärt.
Kinder hier sind kleine Erwachsene denen man nicht alles vorschreiben muss, sie können vieles schon selbst entscheiden. Die Grenze des Einzelnen hört auf wo die Grenze des Anderen beginnt, haut man sich lachend im Spiel ist das ok, tut es einem weh und man möchte es nicht, dann muss man das lernen wörtlich auszudrücken und der Andere muss lernen diese Grenze einzuhalten.

Viele Male habe ich bereits über dieses Konzept mit Anderen diskutiert, viel Male ist es auf Ablehnung und Unverstehen gestossen und ich spürte, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr habe darüber zu reden. Alles lässt sich (einfach?) in Worte verpacken, aber trotzdem versteht es jeder anders und in der Realität ist doch nichts wie geplant, jeder Bezugi hat seine eigenen Methoden und Wege und vielleicht arbeiten auch andere Kindergärten in bestimmten Fällen ähnlich, im Enddefekt weiss ich aber durch Erfahrung das andere Kindergärten anders arbeiten und es einfach nicht möglich ist, das Leben im Regenbogen mit Worten genau zu beschreiben. Ich weiss aber auch: Jeder der sich dafür wirklich interessiert ist herzlichst eingeladen dem Kindergarten (oder der Grund- oder Realschule in den oberen Etagen) einen Besuch abzustatten in der Vollbrachtstrasse, sei es für ein paar Stunden oder gar ein längeres Praktikum, seid willkommen! Wer erst einmal nur mehr darüber lesen möchte, kann sich die Internetseite anschauen: http://www.freie-schule-regenbogen.de/


Wenn ich Morgens zur Arbeit ging, stand Jaak in der Tür und winkte mir. Kam ich später von der Arbeit zurück, dann empfing er mich freudig mit einem Teller selbst gekochter Hühnersuppe und das die Wohnung in der wir lebten gar nicht uns gehörte, das fiel nach einer Weile gar nicht mehr auf. Wir hatten in unserer Beziehung noch nie ein solch "normales" Leben gehabt und für die eine Woche war es echt toll!

Aber Jaak wollte weiter und zwar noch am selben Samstag. Ein Abenteuer stand bevor, er würde von Berlin nach Riga in Lettland mit dem Fahrrad radeln. Mehr als 1.000 km auf einem 30 Euro "Diamant" - Fahrrad ohne Gänge das er sich bei seinem letzten einwöchigen Aufenthalt in Berlin im Secondhandshop besorgt hatte und das bei einer Freundin dort nun auf ihn wartete.
Dafür wollte er nicht viel mit nehmen, ein paar Bücher zum lesen, eine Zahnbürste zum Zähne putzen, einen Topf um im Feuer etwas kochen zu können, eine Flasche Wasser und ein wenig Werkzeug um im Notfall das Fahrrad reparieren zu können. Schon damals in Australien hatte er öfter zu mir gesagt als wir irgendwo mit unserem "vielen" Gepäck herum gelaufen sind: "Babsi, können wir spielen das wir "Swagmen" sind? Bitte, bitte!" Ihn fesselte die Idee mit so wenig wie möglich los zu ziehen und deshalb bauten wir nun für seinen Trip einen "Swag"!

Und was ist das? Vor vielen, vielen Jahren waren viele, viele Leute Reisende. Es gab keine Autos und vielleicht auch noch keine Pferde und Esel die einen trugen oder das Gepäck mit nahmen, so war man sein eigenes "Lastentier" und man besass nur so viel, wie man auch tragen konnte. So reiste man zu einem Platz wo es einem gefiel oder wo man Arbeit bekam, in der Nacht rollte man seinen Swag aus und krabbelte wie in einen Schlafsack herein, das Material aus dem sie gemacht waren hielt Wasser und Kälte ab. Am nächsten Morgen rollte man seine wenigen Habseligkeiten in den Swag mit ein, zog ihn auf den Rücken und weiter gings!
Ein Reisender mit einem "Swag" auf dem Rücken, Tasche und Schlafmöglichkeit in einem!
 
Ich selbst hatte ein einziges Mal in einem "Swag" geschlafen, das war in Australien auf der geführten Tour zum "Uluru" und es war nicht nur total bequem gewesen, sondern auch wirklich warm!
 
Swag schlafen auf der Tour zum "Uluru" in Australien, die Schuhe mussten wir mit in den Swag hinein nehmen weil irgendwelche Tiere sie gerne klauen!
Aber die modernen Swags sind viel zu schwer um sie umher zu tragen. Sie kosten ein paar Hundert Euro, innen ist eine ganz normale Matratze auf der man schläft (deshalb ist´s auch viel bequemer als auf einer Isomatte) und aussen schützt einen eine dicke Lederwand (oder ist es ein anderes Material?).

Das kam nicht in Frage, also wollten wir ganz einfach einen selber bauen. Und das taten wir (wir hatten nicht die geringste Erfahrung, es könnte auch voll vor den Baum gehen, z.B. nicht halten oder nicht warm genug sein...!!! Einen Versuch war es auf jeden Fall wert).

Und wir taten es so:

Man nehme eine normale 10 Euro-Plane aus dem Baumarkt, guten Kleber (bei dem man nie weiss ob er WIRKLICH gut ist bevor man ihn nicht ausprobiert hat), eine Schere und eine ebenso billige, einfache Isomatte die nicht so schwer ist herum zu tragen.



Dann schneidet man beide Ecken an der unteren Haelfte heraus, klappt die rechte und linke Seite nach innen, die untere Seite nach oben und klebt es fest. Man hat nun quasi eine Tasche in der noch immer die Isomatte ist!



Die untere Seite ist damit auch schon fertig. Die beiden nach innen geklappten Seiten werde bis ganz oben hin zusammen geklebt, wie eben eine Tasche.


 Und dann es heisst es warten, beschweren und trocknen lassen.


In unserem Fall war es der falsche Kleber - er hat nicht gehalten! Also wurden wir kreativ und nahmen Kabelbinder! Ich benutzte zum ersten Mal die Funktion an meinem Taschenmesser mit der man Löcher durch Leder stechen kann und tat genau das mit der Plane - in regelmässigen Abständen ein Loch in einer Reihe, immer in der Mitte wo die zwei Hälften zusammen kamen und der Kleber vorher nicht gehalten hatte. Ich steckte von aussen den Kabelbinder durch, Jaak krabbelte in den Swag hinein und steckte ihn auf der anderen Hälfte wieder hinaus, Kabelbinder oben geschlossen - fertig. Nun hielt es wirklich.
 























Und damit war der Swag auch schon fertig! Oben liessen wir ihn einfach offen denn er war so lang, man konnte einfach bis ans untere Ende herin rutschen und würde keine Luft und keinen Regen abbekommen (wie man darin allerdings an frische Luft kommen sollte war eine gute Frage...) Selbst die wenigen Klamotten passten noch mit hinein!





Alles was er benötigt, seinen Swag, einen Topf, Werkzeug, Karten.




















Ich besorgte ihm noch ein gelbes Reflektorshirt und einen Helm, in den Rucksack kamen Essen und Trinken und er würde ihn auf dem Rücken tragen, der Swag wurde auf den Gepäckträger gespannt.
Er nahm einen uralten Fotoapparat mit, der Film wird am Raedchen zurückgekurbelt wenn er voll ist. Hat man keine wertvollen Sachen, kann einem auch keiner etwas klauen. Oder es ist zumindest nicht schlimm wenn es geklaut wird!

In Hohenfelden bei Erfurt verabschiedeten wir uns - mit einer Mitfahrgelegenheit würde er nach Berlin fahren und noch für ein oder zwei Tage einen Freund von der Australienreise besuchen bevor er lostremmelte. Der Abschied war schon ein bisschen traurig, immerhin das längste Mal das wir uns nicht sehen würden, mehr als 2 Wochen ;) Auch zum Jahrestag unserer Beziehung wären wir nun nicht zusammen, der 29. Mai.


Auf in ein neues Abenteuer!
Aber die nächsten Wochen waren absolut toll für mich, die zwei in deren Wohnung ich lebte kamen wieder und ich hatte gar nicht viel Zeit Jaak zu vermissen weil ich jeden Tag erst ein wenig arbeiten ging - und dann Freunde traf! Oft sassen wir bis mitten in der Nacht und quatschten weil es soooo viel zu erzählen gab und ich war total begeistert wie super wir uns immer noch verstanden. Hatte ich auch viele Leute auf meiner Reise kennen gelernt - richtige Freunde konnte man auf kurzen Zwischenstops kaum machen und ich fühle mich mit den Leuten zu Hause umso mehr verbunden.

Das Zusammenleben fiel einfach, die Freundschaft war immer noch stark.

Und auch meine Mädels von der Ausbildung sind noch da!

Wir hatten ein Barbecue - und das ist ein Fischkopf rechts auf der Gabel!
Ich machte einen Augentest - und bekam gesagt, dass meine Augen um jeweils 0,25 besser geworden sind. Ich ging nach 2 Jahren endlich mal wieder zum Zahnarzt - und bekam gesagt das mit meinen Zähnen absolut nichts falsch ist, sie waren so gesund, dass ich sogar meine 10 Euro Arztkosten wieder bekam. Nach zwei Jahren! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über einen Zahnarztbesuch so freuen werde... Mir gab das zu denken, welch ein Glück ich habe weder eine Behinderung noch eine Krankheit zu haben, ich kann einfach mein Leben leben wie ich es möchte. Ohne gesundheitliche Einschränkung. Und das macht mich sehr froh.

Mit Sabs und Dani machte ich noch einen Zeltausflug! Der Plan des Zeltens stand, erst da fiel uns auf, dass wir gar kein Zelt haben! Aber wir wollten es trotzdem versuchen, dann schliefen wir eben unter dem freien Himmel und wenn es zu kalt wäre, fuhren wir einfach in der Nacht zurück. Mit den Fahrrädern ging es in einen Vorort von Erfurt, nicht zu einem bezahlten Campingplatz sondern einfach zu einem schönen Platz am See.

Eigentlich wollten wir durch diesen Fluss, "ja, ist möglich" sagten 3 junge Männer die uns entgegen kamen. Wie, war uns allerdings schleierhaft. Das Wasser war so tief, dass wir schwer hätten überhaupt hindurch laufen können und schon gar keine Fahrräder hindurch schieben konnten!
Wir fanden einen anderen schönen Platz und machten ein Picknick.
Als es ans Feuerholz sammeln ging, schleppte ich gleich einen kleinen Baum über den ganzen Platz. Und dann erspäten wir noch diese schöne orange und etwas kaputte Luftmatratze neben dem Mülleimer, eine super Schlafmöglichkeit für die Nacht!
Sabs war schon immer unser Feuerwart gewesen...
Ja und das war dann am nächsten Morgen! Wir hatten tatsächlich die Nacht dort geschlafen und das Feuer hatte uns warm gehalten, die ganze Nacht brannte es ein wenig weiter.
Nur unser Heimweg wurde dann noch durch einen unschönen Vorfall erschwert. Fast zu Hause wollten wir eine Strasse kreuzen. Der Fahrradweg führte in einer rot-gestrichelten Linie darüber, wir hatten Vorfahrt. Ein Auto kam und stoppte, Dani fuhr als Erste los, wir einige Meter dahinter. Es war ein merkwürdiger Moment wie der Autofahrer, einer von zwei Studenten die gerade von der Prüfung kamen, uns einfach übersah obwohl wir direkt vor seinem Auto standen! "Ich habe nur nach links geschaut" sagte er später. Was genauso merkwürdig ist, war Dani doch auf seiner linken Seite. Er fuhr einfach los und erwischte sie am Hinterrad, sie fiel. "Kann nicht viel passiert sein" dachten wir, "war ja nur Anfahrtsgeschwindigkeit". Aber Dani stand einfach nicht auf! Da machten wir uns doch für einen Moment Sorgen und riefen "Dani??" Sie lag dort auf der Strasse und hatte einfach keine Lust auf zu stehen sagte sie später! All der Trubel mit Versicherungen, kaputtem Fahrrad, was auch immer nun wieder auf sie zukommen würde, darauf hatte sie einfach keine Lust und blieb lieber erst einmal liegen! Ein Passant mischte sich gleich ein, rief Polizei und Krankenwagen. Die kamen dann sogar mit Blaulicht angedüst! Aber es war nichts passiert, Dani war zumindest bis auf ein paar Kratzer unversehrt. Trotzdem nahmen sie sie noch mit ins Krankenhaus um irgendwelche Tests durch zu führen und vor allem das mit der Versicherunng zu klären (ja, das ist Deutschland). Das Fahrrad war etwas kaputt und darum kümmert sich jetzt die Polizei, um wenigstens das Geld dafür wieder zu bekommen. Der Fahrer erzählte aber alles genau wie es passierte und gab somit seine Hauptschuld zu, eine Ordnungswidrigkeit begingen wir allerdings, weil wir auf der falschen Strassenseite gefahren waren. Sabs und ich traten als Zeugen auf, jetzt heisst es nur noch abwarten und Tee trinken.

Und dann war meine Zeit in Erfurt auch schon wieder vorbei! Ich glaube es hatten noch nicht alle verstanden, dass ich gerade als Festangestellte im Kindergarten arbeite und nicht als Praktikantin, da war ich auch schon wieder von der Bildfläche verschwunden. Mein erster Job als festangestellte Erzieherin im Kindergarten ging zu Ende. Am selben Donnerstag traf ich Abends noch meine Mädels von der Ausbildung und als ich dort Tschüss sagte, realisierte ich mit einem Mal wirklich, dass ich mich schon wieder auf dem Sprung befinde. Das machte mich traurig, aber wer sagt das Reisen immer einfach ist? In jedem Leben gibt es Höhen und Tiefen, Abschiede gehören eben zu meinem Leben dazu. Mitten in der Nacht kam ich heim und da wurde mir gleich noch ein Kuchen gebacken! Michi hatte Spätschicht und war gerade von der Arbeit gekommen, er wollte mich nicht gehen lassen ohne seinen Spezial - Schokoladenkuchen probiert zu haben! Da backte er eben nachts um 2 und wir assen die Hälfte des Teiges einfach ungebacken auf...




Und dann ging es am Freitag den 1.6.12 noch ein letztes Mal nach Effelder zu meinen Eltern und meiner kleinen Schwester. Das Wochenende war grösstenteils mit packen ausgelastet, aber am Freitag Abend gingen wir zu meinem Onkel zum Geburtstag und ich konnte es nicht fassen: Erst als ich schon eine Weile dort gesessen hatte fiel mir auf, dass ich so gut wie nie hier sitze. Das ich aber das letzte Mal hier gesessen hatte als ich Tschüss sagte um mich nach Australien zu verabschieden, jetzt sass ich wieder auf dem selben Platz und verabschiedete mich nach Estland...

Dann gab es einen Tag später noch ein schönes Camping mit der Familie meines Schwagers, ihre Grosseltern hatten eine kleine Farm in der Nähe ihres Dorfes, mit ein paar Tieren, einem Häuschen, keinem Strom und nirgends Handyempfang. Das Wetter spielte zwar nicht so mit, aber wir sassen einfach unter dem Dach und im Zelt stört der Regen ja auch nicht.
Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich nun von allen in diesem Kreise, unter anderem meiner Schwester, ihrem Mann und meinem kleinen Neffen David...
Es ging zum Bahnhof und als der Zug einfuhr gab es Tränen von allen Seiten. Meine Eltern, meine Schwester, ich. Irgendwie kam uns allen dieser Abschied grösser vor als der vorherige - nach Australien war ich auf bestimmte Zeit gegangen, jetzt würde ich vielleicht nur noch auf Urlaube nach Deutschland zurück kommen, wo auch immer mich meine Füsse hin tragen würden.

Da macht sich mein Paket voller Wintersachen und anderem Zeug was zu viel zum tragen ist auf die lange Reise nach Estland.
Mit dem Zug ging es in 9 Stunden nun auf die Insel Usedom - in Zinnowitz wohnen mein Bruder Norbert und seine Freundin Anna und ich ging sie für weitere 2 Tage besuchen. Ich fuhr auch nicht allein, hatte ich doch bei Mitfahrgelegenheit.de eine Anzeige aufgegeben und bekam noch 3 Mitfahrer die das Wochenendticket mit mir teilten.

Die Begrüssung war nicht weniger stürmisch als beim letzten Mal, ich konnte sehen in welcher Stadt sie leben, wie ihre Wohnung aussieht, die Klassenkameraden und Mitbewohner kennen lernen und vor allem etwas mehr über ihre Theaterausbildung lernen. Tanzen, singen, fechten und Theater spielen - öfter als nur Theorie in der Schule lernen! Also wenn ich gerne Theater spielen würde, würde ich sofort an ihrer Schule anfangen ;)
Es waren tolle Tage. Vor allem als wir uns Fahrräder von Freunden besorgten und los radelten. Erst zu dem Bauernhof auf dem Anna öfter reiten geht und auch Stunden gibt - gerade vor 3 Tagen hatte die Schweinemutti geworfen und wir konnten nun tatsächliche kleine Ferkel auf unserem Arm umher tragen!!! Uh, war das schön :) Dann fuhren wir weiter, tranken noch eine heisse Schokolade in einem bunten Cafe und rückwärts gings mehr oder weniger durchs Gebüsch - normale Wege sind ja langweilig und da fuhren wir lieber direkt am Wasser entlang durch kniehohes Gras.
Mein erster Besuch auf Usedom ging zu Ende und der Abschied fiel schwer, wer weiss wann ich Anna und Norbert wieder sehen würde...



Dann ging es mit einer Mitfahrgelegenheit nach Berlin und ich machte zum ersten Mal eine interessante Erfahrung die sich später noch häufen würde. Die erste Frage in einer Gruppe Unbekannter ist meist: "Und, wo wohnst du?" "In Erfurt. Ach nein, halt, da wohn ich ja gar nicht mehr! In Effelder. Nein, da wohn ich auch nicht! Na wo wohn ich denn eigentlich?"
Letztendlich führte kein Weg darum herum als die tolle Aussage zu treffen "Ich bin Reisende" :) Selbst einen Hauptwohnsitz habe ich nirgends mehr.... Ich habe mich einfach von Deutschland nach Estland abgemeldet, ohne Adressenangabe.

In Berlin verbrachte ich meine letzte Nacht in Deutschland bei einer Freundin von meiner Erzieherausbildung, sie spielte Harfe und wir hatten damals öfter zusammen Musik gemacht. Sie hatte für ein Jahr in Bosnien als Freiwillige mit Behinderten gearbeitet und es war sehr interessant von ihren Erfahrungen zu hören.
Am nächsten Morgen machte ich mich schon viel zu früh auf den Weg zur Bushaltestelle, ich wollte auf gar keinen Fall meine Fahrgelegenheit nach Estland verpassen und sich in Berlin zurecht zu finden, finde ich persönlich aufregender als durch die ganze Welt zu reisen!
Aber alles ging gut. Ich fand die Bushaltestelle und ging noch ein wenig Essen für die Fahrt einkaufen, ich würde jetzt nämlich gleich die nächsten 23 Stunden im Bus sitzen! 23 Stunden! Das ist genauso lang wie wenn man nach Australien fliegt...
Aber was nimmt man nicht alles in Kauf wenn man einen Sitzplatz im Bus für ganze 13 (!) Euro bekommen kann! So viel kostete mich dieser ganze Spass nämlich nur, ich konnte es selbst nicht glauben. 23 Stunden Fahrt von Berlin nach Riga in Lettland für nur 13 Euro? Wir scherzten schon darüber, vielleicht komme ich ins Gepäckabteil oder es wird ein extra Abteil angehangen für alle die nur 13 Euro zahlen, ohne Wasser, Brot und Sonnenlicht... Oder ist es doch einfach ein Stehplatz? Ich konnte es kaum erwarten, es endlich heraus zu finden.

Aber erst einmal hatte ich einen traurigen Moment, der Abschiedsschmerz holte mich ein. Auf einmal wurde mir klar, dass ich viel zu wenig Zeit mit Allen verbracht hatte. Etliche meiner Freunde hatte ich gar nicht gesehen! Mein kleiner Neffe hatte erst gerade jetzt begonnen sich an mich zu gewöhnen - wenn ich das nächste Mal kam müsste ich wieder von vorne beginnen, er war eben ein Kind. Meine Eltern, meine grosse Schwester - hatte ich wirklich alles erzählt was ich erzählen wollte und hatte ich überhaupt eine Ahnung wie es IHNEN wirklich ging? Meine Antwort darauf war Nein und ich hoffte es irgendwann nachholen zu können, jetzt war es erst einmal zu spät dafür.
Ich schrieb eine SMS an alle Freunde deren Nummer ich im Handy hatte, alle die keine bekommen haben - das tut mir Leid. Ich sagte Tschüss, einmal mehr. Aus meiner Familie wollte ich alle noch einmal anrufen, aber es ging einfach nicht. Allein sass ich dort an der Bushaltestelle im grossen Berlin, mein Gepäck neben mir, und die Tränen liefen mir über die Wangen und wollten nicht mehr stoppen. Letztendlich schrieb ich ihnen also doch nur eine SMS.


Der Bus sah gut aus - schön hellgelb und ansonsten ganz normal. Ich bekam einen Sitzplatz und eine Flasche Wasser noch gratis dazu! Und das alles für 13 Euro... Ich glaube das Geheimnis liegt darin, dass das Busunternehmen polnisch, litauisch, estnisch oder lettisch war - und dort ist alles viel günstiger.

Eigentlich war das Ereignis des Abschiedes ja ein Gutes und ich hatte mich bald wieder gefangen - Ich würde in nicht weniger als einem Tag in Lettland sein und Jaak wieder treffen! Dann würden wir gemeinsam nach Estland fahren, ich könnte endlich die Plätze seiner Kindheit sehen die ihm so viel bedeuten und noch dieses Wochenende würde ich seine Eltern kennen lernen... Na wenn das mal keine Gründe der Freude sind!
Mein schöner gelber Bus!
Und ein bequemer 13 Euro Sitzplatz!
Plus eine kleine Wasserflasche, aus Polen Lettland, Estland oder Litauen... keine Ahnung welche Sprache das ist :)

Und dann ging es etliche Stunden später über die "Autobahngrenze"  und es hiess nur noch "Tschüss Deutschland!"






Dienstag, 19. Juni 2012

Deutschland Teil 1 - die Zeit in "Effelder"

An den Schildern konnte man erkennen, dass wir gerade die "Grenze" überschritten hatte. Alles war auf einmal in deutscher Sprache geschrieben, was Jaak natürlich auch nicht viel half... Noch dazu wurde es immer kälter, haben sie hier noch Winter? Tatsächlich hatte man mir nur eine Woche vorher erzählt es hatte geschneit! Kurz vor Ostern... Ohne die warmen Klamotten meiner Mutti hätte ich ganz schön gefroren.

Die Fahrt über die "Grenze" hätte ja eigentlich wieder etwas ganz Grosses, Besonderes sein sollen. Aber irgendwie fühlte ich nicht viel....
Erst als wir kurz vor Giessen waren, noch im Nachbarort ein paar Blumen für meine grosse Schwester Anette kauften, die gerade die Prüfung hinter sich hatte, und schliesslich ins kleine Dörfchen "Rödgen" hinein fuhren, da wurde ich doch das erste Mal wirklich freudig aufgeregt. Ich klingelte - sie öffnete die Tür - umarmte mich stürmisch - und fing an zu weinen. Ich musste mit weinen. Und da weinten auf einmal gleich alle mit, der Moment der Rührung war gekommen. Es wurde mir erst bewusst als ich kurz später mit der Familie versammelt hinter einem Tisch sass - genau hier hatte ich auch gesessen kurz bevor ich nach Australien aufgebrochen war, es war der letzte Stop vor der Reise gewesen und meine Schwester und ihr Mann hatten mich zum Flughafen gefahren - damals noch ohne Kind.



Mein kleiner Neffe David schlief noch, ich konnte es kaum erwarten und lunzte in den Raum hinein - und weckte ihn dabei auf. Das tat mir dann sehr Leid, aber wenn Tante Barbara kommt kann man ja auch mal früher aufstehen... Er musste sich erst an uns gewöhnen, hatte aber schon fleissig "Jaak" und "Bababa" mit den Fotos an der Wand gelernt und irgendwann gelang es ihm auch diese Namen den lebenden Personen zu zu ordnen. Er war mittlerweile anderthalb Jahre alt, die Zeit des Krabbelns und der ersten Schritte hatte ich einfach verpasst.

David in der Box.
Dann gab es auch noch ein tolles Schwager - Wiedersehen und einen Spaziergang um den Ort herum.

Der Schwager und der kleine Neffe.
Jaak stellte dabei enttäuscht fest, wie nahe hier alle Orte bei einander liegen und wie wenig Platz die Menschen in Deutschland haben - 2 oder 3 km bis zum naechsten Ort? Na warum machte man daraus nicht gleich nur einen Ort? In Estland wohnen 30 Menschen auf einem km², in Deutschland 229 Menschen. Na da kann man sich ja denken woher diese Ansicht kommt. Uns faellt das gar nicht wirklich auf, wir sind es einfach gewöhnt.

Da mein Schwager in der freiwilligen Feuerwehr ist, mein Vater darin war und Jaak Feuerwehrmann gelernt hat, konnten sie sich stundenlang damit beschaeftigen das Feuerwehrhaus und die darin stehenden Feuerwehrautos zu betrachten. Ich freute mich sehr die zwei spaeter zusammen im Kinderkarussell sitzen zu sehen - auch die letzten Englischkenntnisse wurden heraus geholt um sich noch irgendwie zu verständigen.

Auch die Grossen spielen gerne mit den Dingen der Kleinen.

Ich machte eine hochinteressante Erfahrung! Als wir so auf dem Spielplatz umher liefen stand ein ca. 10jähriger Junge auf dem Dach der Rutsche. Plötzlich fing er an zu reden - mit uns? Nein, er sprach in sein neues, cooles Handy. "Wo seid ihr?" "Ich bin auf dem Spielplatz!" "Ah, ja, ich seh euch!" Und da kamen auch schon seine 2 kleinen Freunden angelaufen - "Aha" dachte ich, "heutzutage verabredet man sich also schon mit dem Handy auf den Spielplatz".

Schwesternwiedervereinigung auf dem Spielplatz - im Hintergrund Jaak und Schwager Dominik in der "Kotzmuehle"

Doch der Aufenthalt bei meiner Schwester und ihrer Familie war nur ein kleiner Zwischenstop. Ein paar Stunden später verabschiedeten wir uns schon wieder und fuhren Richtung "Effelder" im Eichsfeld, das Dorf in dem ich meine ersten 16 Lebensjahre verbracht hatte.  



Eine Zeit der totalen Überforderung begann nun für mich. Irgendwie konnte die Freude über die Wiederkunft nicht wirklich in meinem Herzen einkehren. Warum konnte ich denn nicht einfach die Zeit geniessen die ich hier hatte, in dem Vertrauen es wäre doch nur ein "Urlaub". Ich kam doch nicht wirklich in das Dorf meiner Kindheit zurueck in welchem ich mich damals nie wirklich zugehörig gefühlt hatte, um hier für den Rest meines Lebens zu wohnen, ich wuerde wieder weg gehen! Aber ja, fast war es so als müsste ich mich wieder vollkommen auf dieses Leben einlassen wenn ich dazu gehören wollte. Was mir sehr schwer fiel und ich auch gar nicht so richtig wollte... In dem Moment wo ich unten zur Haustür hinein trat, überkam mich das Gefühl das es erst gestern gewesen war als ich das letzte Mal in meinem Zimmer stand. Die letzten anderthalb Jahre wurden wie eine andere Welt beiseite geschoben und ich redete gar nicht viel darüber - erstens war ich zu sehr damit beschäftigt meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und zweitens - wo sollte ich anfangen?

Zurück in der Heimat

Meine Bauchschmerzen blieben und auch die Ängste über die Beziehung. In dem Moment wo ich mich am meisten "geschlagen geben wollte" wieder zurück im alten Leben zu sein, da schickte ich Jaak ein weiteres Mal fast in die Ferne, obwohl ich ja wusste, dass ich eigentlich mit ihm zusammen sein will. Aber er war eben nie in diesem Leben hier zu Hause da gewesen und das "andere Leben" in welches er hinein gehörte war ja jetzt vorbei. Es ist wirklich unglaublich schwer das alles zu beschreiben, zum Einen weil es mich noch immer zu sehr verletzt tiefer darüber nach zu denken, zum anderen weil ich in dem Moment nicht die geringste Ahnung hatte wie ich meine Gefühle deuten soll und damit umgehen kann. Noch immer ist es mir zum grössten Teil ein Rätsel und viele Dinge habe ich vielleicht auch missgedeuted. Immer wenn ich spürte Jaak abweisen zu wollen, dann zog ich ihn nur noch näher an mich heran um ihn nicht zu verlieren. Ich stellte mein Bett im Zimmer um  - von der dunklen Schräge ans Fenster, durch welches den ganzen Tag warmes Sonnenlicht herein fluten konnte. Und ich summte Liedchen vor mich hin, sang wenn der Schmerz zu stark wurde um den negativen Gefühlen ein positives Gefühl entgegen zu setzen. Auch wenn jemand da war, war es einfacher sich abzulenken. Als Jaak für eine Woche nach Berlin fuhr um Freunde von der Reise zu besuchen, meine Eltern arbeiteten, die Schwester in der Schule, die Freunde alle in Erfurt - da war es am schlimmsten. Ich war nicht ganz sicher was ich denn eigentlich hier machte und mir liefen wie verrückt die Tränen. Ich werde nie den Moment vergessen wie Martina letztlich nach langen Vormittagen aus der Schule kam und ich ihr gleich an der Tür eine lange Umarmung verpasste, zu froh nicht mehr alleine zu sein!



Für alle Anderen tat mir das unglaublich Leid. Da war ich nur einmal hier und hätte die Zeit doch gerne in Freude mit Allen genossen anstatt diese ungewünschten Gefühle zu haben, aber es lag ja nicht an Ihnen, ich hoffte das sahen sie auch. Ich sei unglücklicher geworden erzaehlte man mir, aber eigentlich war ich doch total zufrieden gewesen mit meinem Buschleben, bis es ans heimreisen ging! Jeder gab sich unglaublich viel Mühe uns den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen, es gab das beste Essen und die beste Unterhaltung. "Vom Buschleben in Neuseeland zum Hemden bügeln ins kleine katholische Dörfchen" sage ich immer, na eigentlich ist es doch klar das das nicht ohne Probleme abgeht. Ich war echt gerührt wie sich jeder danach erkundigte ob es Jaak auch gut geht hier und die letzten Bröckchen der englischen Sprache heraus holte um mit ihm zu sprechen. Trotzdem wurde er immer mal wieder frustriert weil er nichts verstehen konnte oder sich langweilte weil in einem Dorf ja nicht allzu viel zu tun ist. Das Geplante der Deutschen, diese Ordnung... er hatte bisher noch niemanden erlebt der einen Terminkalender hatte um sich alle seine Termine merken zu können!

Auf gehts auf die Wartburg nach Eisenach und durch die "Drachenschlucht".







Endlich wieder Gehacktesbrot mit Honig! Jaak konnte sich mit dem Gedanken rohes Fleisch zu essen nicht so richtig anfreunden...
Seit wir zusammen sind hatte Jaak darüber gelacht, dass wir zu Hause eine Maschiene brauchen die für uns das Brot schneidet ;) Jetzt konnte er es selbst versuchen.

Und dann machten wir uns auf in eine wunderbare Woche! Anstatt untätig herum zu sitzen, begann ich endlich Jaak etwas von Deutschland zu zeigen. Als "guter Deutscher" und mit Hilfe meiner Eltern hatte ich die ganze Woche durchgeplant. ;)

Am  Montag ging es mit meinem Vater nach "Weberstedt" ins Trabimuseum. Erst gab es Trabis und Motoren zu betrachten, dann fuhren wir selbst! Grossartig, mein Vater war im siebten Himmel weil er noch immer ein grosser DDR-Fan ist, Jaak fand es total interessant weil er schon viel über diese tollen kleinen Autos gehört hatte und selbst ich hatte meinen Spass heraus zu finden wie man denn die Gänge einlegt und durfte fahren.



"Made in GDR"
Die Gaenge werden anders eingelegt als in den neuen Autos. Hinter dem Lenkrad, rein druecken oder raus ziehen, nach unten oder oben schieben.

Trabi als Campervan, Polizeiauto, Feuerwehr,
































































Papstmobil...alles laesst sich hier finden.



Am Dienstag fuhren wir zu zweit ins Grenzlandmuseum in Teistungen. Noch einmal gab es im Museum und bei einem Spaziergang an der Grenze etwas ueber die DDR zu lernen.



Hier waren Deutschland und Europa bis zum 10. November 1989 um 0.35 Uhr geteilt.


Auch Gefangene wurden gemacht.

Ein Konsum - merkwürdig wie die ganz normalen Lebensmittel die man heute langweilig im Laden kauft, Morgen auf einmal im Museum ausgestellt sind.





Und ein interessantes Projekt um Leute davon ab zu halten ihren Muell ueberall hin zu werfen: "Das ist die Muellmenge einer Woche vom "Pferdeberg". Gibt einem doch zu denken.

Am Mittwoch ging es etwas weiter weg (wie kann ich das sagen, gerade vom anderen Ende der Welt kommend und nun 2 Stunden als weit weg bezeichnen?) - nach Weimar, ins Konzentrationslager Buchenwald. 
JEDEM DAS SEINE
War ich schon ein paar Mal hier gewesen, war es fuer Jaak eine komplett neue Erfahrung. Viel hatte er gehoert und gelesen, aber nie mit eigenen Augen gesehen wie ein solches Lager aussah. Es war das erste Mal, dass ich mit dem oeffentlichen Bus hierher fuhr und da ich nicht sicher war wo wir auszusteigen hatten, stiegen wir bereits etliche Haltestellen zu frueh aus. Dadurch ergab es sich aber, dass wir den Weg liefen an welchem damals die Bahnlinien entlang gelaufen waren. Nur konnten wir die Schoenheit der Natur und die friedlich singenden Voegel geniessen, was diese Menschen damals nicht konnten. Ein Mahnmal befand sich auf unserem Weg, mit Steinen auf denen jeweils der Name eines Verstorbenen stand, liebevoll von Angehoerigen, Freunden oder Bekannten persoenlich eingraviert. Auch ein Massengrab befand sich auf unserem Weg welches erst spaeter entdeckt worden war.

Trasse der ehemaligen Bahnlinie Weimar - Buchenwald

Ca. 56.000 Menschen starben hier in den Jahren 1937-1945.

Hier standen einmal die Baracken in denen die Gefangenen "lebten", von denen ist nun nichts mehr zu sehen.

Eine geheime Genickschussanlage. In der Erwartung das die Grösse gemessen wird stellt sich der Häftling an die Messlatte. Hinter der Wand öffnet ein Soldat eine kleine Klappe, hält das Gewehr an, und tötet den Gefangenen durch einen Genickschuss.
Medizinische Experimente?
Eine etwas makabere Geschichte: Ein leerer, abgenutzter Raum in dem nichts haengt als dieses Bild auf welchem ein Leichenhaufen abgebildet ist, die Koerper darauf nur noch Gerippe. Ein Mädchen im Teenageralter kommt in den Raum, schaut in eine Ecke und schreit: "IH, Eine Spinne!"


Die bekannten Öfen zum verbrennen der Leichen.

Am Anfang trennte man die Asche der verbrannten Koerper noch in verschiedenen Urnen. Später wurde alles zusammen geschuettet.


Nach dieser traurigen Geschichte, machten wir am Donnerstag wieder etwas unglaublich spassiges und erheiterndes, was ich jedem empfehlen würde! Wir fuhren mit der Draisine in "Lengenfeld unter dem Stein", 3 km von meinem Heimatdorf entfernt. Weil es gleich um die Ecke ist, liefen wir durch den Wald nach Lengenfeld und kamen dabei auch an dem Gymnasium vorbei, auf welches ich damals bis zur zehnten Klasse gegangen war. Das ist schon toll wenn man nach fast einem Jahr in der Beziehung dem Partner ein Stückchen aus seinem "ehemaligen" Leben zeigen kann... Zufällig trafen wir sogar auf meine ehemalige Klassenlehrerin und hielten ein langes Schwätzchen, sie ist Englisch und Deutschlehrerin und gab gleich noch Tips um die deutsche Sprache zu lernen! Immer hatte ich nach der Logik überlegt warum DIE Strassenbahn weiblich ist, aber DAS Auto männlich... Meine Lehrerin eroeffnete mir die Wahrheit - es gibt keine Logik! Man muss einfach die Artikel gleich mit dem Wort dazu lernen. Na dann - viel Spass Jaak.

Dann gings los! Als ich ein Kind war, fuhr auf den Bahnschienen hier noch ein Zug (auch durch Effelder!), dann wurde allerdings die Bruecke als zu wackelig angesehen und der Verkehr eingestellt. Nun wurde die Strecke saniert um mit einer Draisine darueber zu fahren, bis zu 6 Personen sitzen darauf, zwei trämmeln wie auf einem Fahrrad und die Anderen lehnen sich bequem zurück und lassen sich fahren.



Es geht ueber die Bruecke...

Und durch den Tunnel...


Der laengste Tunnel durch den wir fuhren war 1,5 km lang.


Rast halten am ehemaligen Bahnhof...



Und einen kleinen Schubs geben damits einfacher wieder los geht.

Hinwärts ging es bergauf. Aber da wir rechtzeitig da gewesen waren und sogar frueher los fahren durften, war das ueberhaupt kein Problem und wir machten uns keinen Stress.
Dann kamen wir in "Küllstedt" an einem Gasthaus an in dem wir Wiener Würstchen assen. Ich fand diesen Blick unglaublich toll, wie wir an den Kuehen vorbei radelten und schliesslich in dieser Landschaft zum stehen kamen...







Und dann ging es heimwärts nur noch bergab... Nicht die geringste Anstrengung wäre nötig gewesen um schliesslich wieder am Anfang anzukommen.








Da blieb ja nur noch der Freitag! An diesem Tag fuhren wir auf meinen besonderen Wunsch nach Erfurt in meine ehemalige Erzieherausbilderschule "BBS St. Elisabeth". Nur eine lange Pause hatten wir Zeit um mit ehemaligen Schuelern und Lehrern zu quatschen - nicht viel, aber besser als nichts. Das jeder nur ein winziges bisschen meiner Zeit in Deutschland bekommen wuerde, war mir bereits klar geworden. Dafuer waren die paar Monate zu kurz die ich in Deutschland verweilte.

Aber ein grosser Punkt in dieser Heimkehrzeit, war auf jeden Fall das Wiedersehen mit meinem Bruder. Im November 2009 war er nach Neuseeland gegangen, im September 2010 war ich nach Australien gereist, da war er schon fast wieder zu Hause. In Indien hatte er bewusst Anna wieder getroffen, eine Deutsche die er schon vorher aus seiner Berlinzeit kannte und mit der er nun zusammen kam, sie leben jetzt zusammen in Zinnowitz, Usedom und lernen Beide an einer Schauspielschule. November 2009 - April 2012, das waren 2 einhalb Jahre die wir uns nicht gesehen hatten!

Wir holten ihn vom Zug ab und ich wurde ersteinmal kraeftig von ihm durch die Gegend geschleudert - mein Bruder ist mittlerweile 2 Meter gross und freute sich riesig mich wieder zu sehen! (Was natuerlich auf Gegenseitigkeit beruht, nur kann ich ihn schlecht so herum tragen...). Durch unsere abenteuerliche Vergangenheit (und Zukunft!) fuehlen wir uns immer sehr verbunden. 

Da ist es - das ALLERERSTE Foto nach 2einhalb Jahren auf dem alle 4 Kinder zu sehen sind!

Und ein Familienfoto
Wikingerschach spielen mit der ganzen Familie, Momente die ich wirklich genoss! Kurz gesagt - Mit Hoelzchen die man wirft versucht man die Holzkloetzchen der Gegnermannschaft um zu werfen.

Schon wir sind damals auf Ferdinand geritten - jetzt hat er sein Genick gebrochen, was Klein-David aber auch nicht vom Reiten abhält ;)

Aber es gab ja auch einen Anlass, warum ich genau jetzt wieder zurueck nach Deutschland gekommen war - die Silberhochzeit meiner Eltern! Einen Monat hatte ich Zeit um mit den Vorbereitungen zu helfen, aber ein Monat ist echt nicht viel wenn man nebenbei noch Leute treffen will und überhaupt erst einmal "ankommen" moechte. Meine Schwestern hatten schon unglaubliche Arbeit geleistet! Da war eine Hochzeitszeitung die noch fertig gestaltet werden musste, jeder Verwandte und all die Freunde meiner Eltern hatten hierfuer eine Seite gestaltet. Ich machte mich daran die Kerze zu verzieren und die Liederheftchen fuer die Messe anzulegen - wir sind naemlich katholisch (wenn auch nicht mehr alle in der Familie...) und deshalb findet bei uns eine solche Veranstaltung in der Kirche statt.



Fuerbitten wurden von meiner Mutter geschrieben und von uns Kindern spaeter vorgetragen. Essen wurde ausgesucht und bestellt, der Raum war schon lange reserviert worden, ein Alleinunterhalter fuer den Abend besorgt. Wir Kinder schenkten ein Wochenende auf dem Bauernhof und den Eintritt ins "Klimahaus" in Bremen, eine Reise durch die unterschiedlichen Klimazonen der Welt, immer entlang des 8. Laengengrades. Eine wunderbare Erfahrung, ich war schon da! Meine Schwester und ihre Familie "bauten" hierfuer einen kleinen Bauernhof im Koffer, ich schrieb ein unterhaltendes Abendprogramm, alle anderen Abendprogramme wurden in eine synchronische Reihenfolge gebracht... Ja, hinter so einer Feier steckt eine Menge Arbeit und dann ist alles schon wieder an einem Tag vorbei! Naja, in diesem Fall wurde aber eigentlich die ganze Woche gefeiert, erst treffen zum Girlande wickeln, dann Polterabend und Girlande aufhaengen, dann zufaellig der Geburtstag meines Vaters (nachdem der Geburtstag meiner Mutter zwei Wochen vorher gefeiert wurde) und dann die eigentliche Feier!

Das Haus wurde verziert...

Doch die meiste Arbeit machte etwas anderes - und es war gleichzeitig das Schoenste und Beste was mir passieren konnte. Die Musik! Die musikalische Messgestaltung die vor allem in den Haenden von Martina und mir lag und in der ich unglaublich aufging und für eine Zeit lang alle schlechten Gefuehle in irgendwelche versteckten Ecken schieben konnte.

Ich erinnere mich wie Martina und ich das erste Mal in ihrem Zimmer sassen und probten, Jaaks einziger Komentar war "na da müsst ihr aber noch ein wenig proben". Da hatten wir noch 3 Wochen Zeit... Und dann der Tag an dem alle vier Geschister versammelt waren, zum ERSTEN Mal wieder versammelt waren! Norbert hatte seine schon halb verstaubte Trompete mitgebracht die seit einigen Jahren schon in der Ecke stand,  Anette wuerde nur fuer die Eltern mal wieder singen. Ich trommelte auf dem Koffer fuer den Bauernhof weil wir die Trommel vergessen hatten, Martina spielte Klavier oder so... Aber bereits nach einer Zeile war es wieder vorbei - der erste Versuch hatte in einem absoluten Chaos geendet der uns teilweise so zum Lachen gebracht hatte, dass ich mich auf dem Boden kruemmte und vor Freude weinte. Das war ein herrlicher Tag, tief in meiner Erinnerung eingegraben. Und wer haette es gedacht - in nur 3 Wochen zauberten wir ein herrliches Programm aus dem Ärmel, ja, ein ganzes Orchester spielte! Ich hatte ein altes Querfloetenstueck wieder heraus gegraben welches bekannt wurde als ich es damals mit 16 auf einigen Konzerten und Wettbewerben gespielt hatte, mein Onkel hatte sich schnell in 5 Tagen (!) die recht schwierige Klavierbegleitung beigebracht und das war unser Eroeffnungsstueck. Mein Vater erkannte es bereits an den ersten Takten. Wir wechselten staendig zwischen den Instrumenten, jeder durfte mal trommeln und alles endete in einem Orchester bestehend aus Floete, Klavier, Gitarre, Trommel, Gesang, Trompete, Geige, Cello und den allseits beliebten Rasseleiern (die sind schon einmal mit mir um die halbe Welt gereist!).





 
Und dann gabs natuerlich eine ordentliche Feier!




Selbst klein David hatte sich mit seinem Anzug fein gemacht! Toben durfte er zu seinem grossen Glueck trotzdem.



Das Geschenk der Geschwister war ein Bild welches meine Eltern sich gewuenscht hatten. Ein Maler hatte unsere Familie gemalt, zusammen auf dem Floss, vor dem Zelt, am Wasser in einem unserer zahlreichen Urlaube in Mecklenburg Vorpommern oder ueber ihre letzten schoenen Naturerfahrungen in Schweden.

Wie gesagt - Monate an Vorbereitung enden letztendlich an nur einem Tag. Und dann ging es sehr schnell mit dem Abschied nehmen. Samstag war die Feier, Sonntag fuhren Anette, Dominik und David wieder nach Giessen, Norbert und Anna nach Zinnowitz auf Usedom und Jaak und ich fuhren nach Erfurt. Wir waren naemlich vor 3 Wochen schon einmal da gewesen und hatten bei einer Freundin uebernachtet, wir grillten und ein paar Freunde wurden eingeladen. Da kam ein Maedel auf mich zu welches im "Regenbogenkindergarten" in Erfurt arbeitet, ein Kindergarten nach alternativem und freiem Konzept in welchem ich waehrend meiner Ausbildung bereits dreimal Praktikum gemacht hatte. Nun boten sie mir einen Job an - fuer ein Jahr haette ich sofort abgelehnt, aber es war ein Job fuer 3 Wochen! Eine der Erzieherinnen (oder Bezugspersonen wie sie hier genannt werden) wollte schon frueher in ihr Babyjahr gehen und so brauchten sie uebergangsweise jemanden bis sie jemand anderes vertreten konnte. Auch meine Mutti hatte mir so gut wie ein paar Stunden im katholischen Kindergarten in Muehlhausen besorgt in dem sie arbeitet, doch ein Tapetenwechsel war mir sehr willkommen und in Erfurt konnte ich nun auch endlich all meine Freunde wieder sehen! Ich war echt geruehrt, nicht nur ueber das Jobangebot sondern vor allem auch weil mir gleich etliche Freunde anboten ich koennte fuer die paar Wochen bei ihnen unterkommen, das war gar kein Problem. Also fuhren Jaak und ich an diesem Sonntag den 13. Mai nach Erfurt, am naechsten Tag wuerde ich meine Arbeit beginnen, wir wuerden in der Wohnung einer Freundin und ihrem Freund unterkommen die fuer die ersten anderthalb Wochen nach "Sri Lanka" verreist waren. Ein Abschied von der Familie - ein Willkommen an alle Freunde!