Dienstag, 19. Juni 2012

Deutschland Teil 1 - die Zeit in "Effelder"

An den Schildern konnte man erkennen, dass wir gerade die "Grenze" überschritten hatte. Alles war auf einmal in deutscher Sprache geschrieben, was Jaak natürlich auch nicht viel half... Noch dazu wurde es immer kälter, haben sie hier noch Winter? Tatsächlich hatte man mir nur eine Woche vorher erzählt es hatte geschneit! Kurz vor Ostern... Ohne die warmen Klamotten meiner Mutti hätte ich ganz schön gefroren.

Die Fahrt über die "Grenze" hätte ja eigentlich wieder etwas ganz Grosses, Besonderes sein sollen. Aber irgendwie fühlte ich nicht viel....
Erst als wir kurz vor Giessen waren, noch im Nachbarort ein paar Blumen für meine grosse Schwester Anette kauften, die gerade die Prüfung hinter sich hatte, und schliesslich ins kleine Dörfchen "Rödgen" hinein fuhren, da wurde ich doch das erste Mal wirklich freudig aufgeregt. Ich klingelte - sie öffnete die Tür - umarmte mich stürmisch - und fing an zu weinen. Ich musste mit weinen. Und da weinten auf einmal gleich alle mit, der Moment der Rührung war gekommen. Es wurde mir erst bewusst als ich kurz später mit der Familie versammelt hinter einem Tisch sass - genau hier hatte ich auch gesessen kurz bevor ich nach Australien aufgebrochen war, es war der letzte Stop vor der Reise gewesen und meine Schwester und ihr Mann hatten mich zum Flughafen gefahren - damals noch ohne Kind.



Mein kleiner Neffe David schlief noch, ich konnte es kaum erwarten und lunzte in den Raum hinein - und weckte ihn dabei auf. Das tat mir dann sehr Leid, aber wenn Tante Barbara kommt kann man ja auch mal früher aufstehen... Er musste sich erst an uns gewöhnen, hatte aber schon fleissig "Jaak" und "Bababa" mit den Fotos an der Wand gelernt und irgendwann gelang es ihm auch diese Namen den lebenden Personen zu zu ordnen. Er war mittlerweile anderthalb Jahre alt, die Zeit des Krabbelns und der ersten Schritte hatte ich einfach verpasst.

David in der Box.
Dann gab es auch noch ein tolles Schwager - Wiedersehen und einen Spaziergang um den Ort herum.

Der Schwager und der kleine Neffe.
Jaak stellte dabei enttäuscht fest, wie nahe hier alle Orte bei einander liegen und wie wenig Platz die Menschen in Deutschland haben - 2 oder 3 km bis zum naechsten Ort? Na warum machte man daraus nicht gleich nur einen Ort? In Estland wohnen 30 Menschen auf einem km², in Deutschland 229 Menschen. Na da kann man sich ja denken woher diese Ansicht kommt. Uns faellt das gar nicht wirklich auf, wir sind es einfach gewöhnt.

Da mein Schwager in der freiwilligen Feuerwehr ist, mein Vater darin war und Jaak Feuerwehrmann gelernt hat, konnten sie sich stundenlang damit beschaeftigen das Feuerwehrhaus und die darin stehenden Feuerwehrautos zu betrachten. Ich freute mich sehr die zwei spaeter zusammen im Kinderkarussell sitzen zu sehen - auch die letzten Englischkenntnisse wurden heraus geholt um sich noch irgendwie zu verständigen.

Auch die Grossen spielen gerne mit den Dingen der Kleinen.

Ich machte eine hochinteressante Erfahrung! Als wir so auf dem Spielplatz umher liefen stand ein ca. 10jähriger Junge auf dem Dach der Rutsche. Plötzlich fing er an zu reden - mit uns? Nein, er sprach in sein neues, cooles Handy. "Wo seid ihr?" "Ich bin auf dem Spielplatz!" "Ah, ja, ich seh euch!" Und da kamen auch schon seine 2 kleinen Freunden angelaufen - "Aha" dachte ich, "heutzutage verabredet man sich also schon mit dem Handy auf den Spielplatz".

Schwesternwiedervereinigung auf dem Spielplatz - im Hintergrund Jaak und Schwager Dominik in der "Kotzmuehle"

Doch der Aufenthalt bei meiner Schwester und ihrer Familie war nur ein kleiner Zwischenstop. Ein paar Stunden später verabschiedeten wir uns schon wieder und fuhren Richtung "Effelder" im Eichsfeld, das Dorf in dem ich meine ersten 16 Lebensjahre verbracht hatte.  



Eine Zeit der totalen Überforderung begann nun für mich. Irgendwie konnte die Freude über die Wiederkunft nicht wirklich in meinem Herzen einkehren. Warum konnte ich denn nicht einfach die Zeit geniessen die ich hier hatte, in dem Vertrauen es wäre doch nur ein "Urlaub". Ich kam doch nicht wirklich in das Dorf meiner Kindheit zurueck in welchem ich mich damals nie wirklich zugehörig gefühlt hatte, um hier für den Rest meines Lebens zu wohnen, ich wuerde wieder weg gehen! Aber ja, fast war es so als müsste ich mich wieder vollkommen auf dieses Leben einlassen wenn ich dazu gehören wollte. Was mir sehr schwer fiel und ich auch gar nicht so richtig wollte... In dem Moment wo ich unten zur Haustür hinein trat, überkam mich das Gefühl das es erst gestern gewesen war als ich das letzte Mal in meinem Zimmer stand. Die letzten anderthalb Jahre wurden wie eine andere Welt beiseite geschoben und ich redete gar nicht viel darüber - erstens war ich zu sehr damit beschäftigt meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und zweitens - wo sollte ich anfangen?

Zurück in der Heimat

Meine Bauchschmerzen blieben und auch die Ängste über die Beziehung. In dem Moment wo ich mich am meisten "geschlagen geben wollte" wieder zurück im alten Leben zu sein, da schickte ich Jaak ein weiteres Mal fast in die Ferne, obwohl ich ja wusste, dass ich eigentlich mit ihm zusammen sein will. Aber er war eben nie in diesem Leben hier zu Hause da gewesen und das "andere Leben" in welches er hinein gehörte war ja jetzt vorbei. Es ist wirklich unglaublich schwer das alles zu beschreiben, zum Einen weil es mich noch immer zu sehr verletzt tiefer darüber nach zu denken, zum anderen weil ich in dem Moment nicht die geringste Ahnung hatte wie ich meine Gefühle deuten soll und damit umgehen kann. Noch immer ist es mir zum grössten Teil ein Rätsel und viele Dinge habe ich vielleicht auch missgedeuted. Immer wenn ich spürte Jaak abweisen zu wollen, dann zog ich ihn nur noch näher an mich heran um ihn nicht zu verlieren. Ich stellte mein Bett im Zimmer um  - von der dunklen Schräge ans Fenster, durch welches den ganzen Tag warmes Sonnenlicht herein fluten konnte. Und ich summte Liedchen vor mich hin, sang wenn der Schmerz zu stark wurde um den negativen Gefühlen ein positives Gefühl entgegen zu setzen. Auch wenn jemand da war, war es einfacher sich abzulenken. Als Jaak für eine Woche nach Berlin fuhr um Freunde von der Reise zu besuchen, meine Eltern arbeiteten, die Schwester in der Schule, die Freunde alle in Erfurt - da war es am schlimmsten. Ich war nicht ganz sicher was ich denn eigentlich hier machte und mir liefen wie verrückt die Tränen. Ich werde nie den Moment vergessen wie Martina letztlich nach langen Vormittagen aus der Schule kam und ich ihr gleich an der Tür eine lange Umarmung verpasste, zu froh nicht mehr alleine zu sein!



Für alle Anderen tat mir das unglaublich Leid. Da war ich nur einmal hier und hätte die Zeit doch gerne in Freude mit Allen genossen anstatt diese ungewünschten Gefühle zu haben, aber es lag ja nicht an Ihnen, ich hoffte das sahen sie auch. Ich sei unglücklicher geworden erzaehlte man mir, aber eigentlich war ich doch total zufrieden gewesen mit meinem Buschleben, bis es ans heimreisen ging! Jeder gab sich unglaublich viel Mühe uns den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen, es gab das beste Essen und die beste Unterhaltung. "Vom Buschleben in Neuseeland zum Hemden bügeln ins kleine katholische Dörfchen" sage ich immer, na eigentlich ist es doch klar das das nicht ohne Probleme abgeht. Ich war echt gerührt wie sich jeder danach erkundigte ob es Jaak auch gut geht hier und die letzten Bröckchen der englischen Sprache heraus holte um mit ihm zu sprechen. Trotzdem wurde er immer mal wieder frustriert weil er nichts verstehen konnte oder sich langweilte weil in einem Dorf ja nicht allzu viel zu tun ist. Das Geplante der Deutschen, diese Ordnung... er hatte bisher noch niemanden erlebt der einen Terminkalender hatte um sich alle seine Termine merken zu können!

Auf gehts auf die Wartburg nach Eisenach und durch die "Drachenschlucht".







Endlich wieder Gehacktesbrot mit Honig! Jaak konnte sich mit dem Gedanken rohes Fleisch zu essen nicht so richtig anfreunden...
Seit wir zusammen sind hatte Jaak darüber gelacht, dass wir zu Hause eine Maschiene brauchen die für uns das Brot schneidet ;) Jetzt konnte er es selbst versuchen.

Und dann machten wir uns auf in eine wunderbare Woche! Anstatt untätig herum zu sitzen, begann ich endlich Jaak etwas von Deutschland zu zeigen. Als "guter Deutscher" und mit Hilfe meiner Eltern hatte ich die ganze Woche durchgeplant. ;)

Am  Montag ging es mit meinem Vater nach "Weberstedt" ins Trabimuseum. Erst gab es Trabis und Motoren zu betrachten, dann fuhren wir selbst! Grossartig, mein Vater war im siebten Himmel weil er noch immer ein grosser DDR-Fan ist, Jaak fand es total interessant weil er schon viel über diese tollen kleinen Autos gehört hatte und selbst ich hatte meinen Spass heraus zu finden wie man denn die Gänge einlegt und durfte fahren.



"Made in GDR"
Die Gaenge werden anders eingelegt als in den neuen Autos. Hinter dem Lenkrad, rein druecken oder raus ziehen, nach unten oder oben schieben.

Trabi als Campervan, Polizeiauto, Feuerwehr,
































































Papstmobil...alles laesst sich hier finden.



Am Dienstag fuhren wir zu zweit ins Grenzlandmuseum in Teistungen. Noch einmal gab es im Museum und bei einem Spaziergang an der Grenze etwas ueber die DDR zu lernen.



Hier waren Deutschland und Europa bis zum 10. November 1989 um 0.35 Uhr geteilt.


Auch Gefangene wurden gemacht.

Ein Konsum - merkwürdig wie die ganz normalen Lebensmittel die man heute langweilig im Laden kauft, Morgen auf einmal im Museum ausgestellt sind.





Und ein interessantes Projekt um Leute davon ab zu halten ihren Muell ueberall hin zu werfen: "Das ist die Muellmenge einer Woche vom "Pferdeberg". Gibt einem doch zu denken.

Am Mittwoch ging es etwas weiter weg (wie kann ich das sagen, gerade vom anderen Ende der Welt kommend und nun 2 Stunden als weit weg bezeichnen?) - nach Weimar, ins Konzentrationslager Buchenwald. 
JEDEM DAS SEINE
War ich schon ein paar Mal hier gewesen, war es fuer Jaak eine komplett neue Erfahrung. Viel hatte er gehoert und gelesen, aber nie mit eigenen Augen gesehen wie ein solches Lager aussah. Es war das erste Mal, dass ich mit dem oeffentlichen Bus hierher fuhr und da ich nicht sicher war wo wir auszusteigen hatten, stiegen wir bereits etliche Haltestellen zu frueh aus. Dadurch ergab es sich aber, dass wir den Weg liefen an welchem damals die Bahnlinien entlang gelaufen waren. Nur konnten wir die Schoenheit der Natur und die friedlich singenden Voegel geniessen, was diese Menschen damals nicht konnten. Ein Mahnmal befand sich auf unserem Weg, mit Steinen auf denen jeweils der Name eines Verstorbenen stand, liebevoll von Angehoerigen, Freunden oder Bekannten persoenlich eingraviert. Auch ein Massengrab befand sich auf unserem Weg welches erst spaeter entdeckt worden war.

Trasse der ehemaligen Bahnlinie Weimar - Buchenwald

Ca. 56.000 Menschen starben hier in den Jahren 1937-1945.

Hier standen einmal die Baracken in denen die Gefangenen "lebten", von denen ist nun nichts mehr zu sehen.

Eine geheime Genickschussanlage. In der Erwartung das die Grösse gemessen wird stellt sich der Häftling an die Messlatte. Hinter der Wand öffnet ein Soldat eine kleine Klappe, hält das Gewehr an, und tötet den Gefangenen durch einen Genickschuss.
Medizinische Experimente?
Eine etwas makabere Geschichte: Ein leerer, abgenutzter Raum in dem nichts haengt als dieses Bild auf welchem ein Leichenhaufen abgebildet ist, die Koerper darauf nur noch Gerippe. Ein Mädchen im Teenageralter kommt in den Raum, schaut in eine Ecke und schreit: "IH, Eine Spinne!"


Die bekannten Öfen zum verbrennen der Leichen.

Am Anfang trennte man die Asche der verbrannten Koerper noch in verschiedenen Urnen. Später wurde alles zusammen geschuettet.


Nach dieser traurigen Geschichte, machten wir am Donnerstag wieder etwas unglaublich spassiges und erheiterndes, was ich jedem empfehlen würde! Wir fuhren mit der Draisine in "Lengenfeld unter dem Stein", 3 km von meinem Heimatdorf entfernt. Weil es gleich um die Ecke ist, liefen wir durch den Wald nach Lengenfeld und kamen dabei auch an dem Gymnasium vorbei, auf welches ich damals bis zur zehnten Klasse gegangen war. Das ist schon toll wenn man nach fast einem Jahr in der Beziehung dem Partner ein Stückchen aus seinem "ehemaligen" Leben zeigen kann... Zufällig trafen wir sogar auf meine ehemalige Klassenlehrerin und hielten ein langes Schwätzchen, sie ist Englisch und Deutschlehrerin und gab gleich noch Tips um die deutsche Sprache zu lernen! Immer hatte ich nach der Logik überlegt warum DIE Strassenbahn weiblich ist, aber DAS Auto männlich... Meine Lehrerin eroeffnete mir die Wahrheit - es gibt keine Logik! Man muss einfach die Artikel gleich mit dem Wort dazu lernen. Na dann - viel Spass Jaak.

Dann gings los! Als ich ein Kind war, fuhr auf den Bahnschienen hier noch ein Zug (auch durch Effelder!), dann wurde allerdings die Bruecke als zu wackelig angesehen und der Verkehr eingestellt. Nun wurde die Strecke saniert um mit einer Draisine darueber zu fahren, bis zu 6 Personen sitzen darauf, zwei trämmeln wie auf einem Fahrrad und die Anderen lehnen sich bequem zurück und lassen sich fahren.



Es geht ueber die Bruecke...

Und durch den Tunnel...


Der laengste Tunnel durch den wir fuhren war 1,5 km lang.


Rast halten am ehemaligen Bahnhof...



Und einen kleinen Schubs geben damits einfacher wieder los geht.

Hinwärts ging es bergauf. Aber da wir rechtzeitig da gewesen waren und sogar frueher los fahren durften, war das ueberhaupt kein Problem und wir machten uns keinen Stress.
Dann kamen wir in "Küllstedt" an einem Gasthaus an in dem wir Wiener Würstchen assen. Ich fand diesen Blick unglaublich toll, wie wir an den Kuehen vorbei radelten und schliesslich in dieser Landschaft zum stehen kamen...







Und dann ging es heimwärts nur noch bergab... Nicht die geringste Anstrengung wäre nötig gewesen um schliesslich wieder am Anfang anzukommen.








Da blieb ja nur noch der Freitag! An diesem Tag fuhren wir auf meinen besonderen Wunsch nach Erfurt in meine ehemalige Erzieherausbilderschule "BBS St. Elisabeth". Nur eine lange Pause hatten wir Zeit um mit ehemaligen Schuelern und Lehrern zu quatschen - nicht viel, aber besser als nichts. Das jeder nur ein winziges bisschen meiner Zeit in Deutschland bekommen wuerde, war mir bereits klar geworden. Dafuer waren die paar Monate zu kurz die ich in Deutschland verweilte.

Aber ein grosser Punkt in dieser Heimkehrzeit, war auf jeden Fall das Wiedersehen mit meinem Bruder. Im November 2009 war er nach Neuseeland gegangen, im September 2010 war ich nach Australien gereist, da war er schon fast wieder zu Hause. In Indien hatte er bewusst Anna wieder getroffen, eine Deutsche die er schon vorher aus seiner Berlinzeit kannte und mit der er nun zusammen kam, sie leben jetzt zusammen in Zinnowitz, Usedom und lernen Beide an einer Schauspielschule. November 2009 - April 2012, das waren 2 einhalb Jahre die wir uns nicht gesehen hatten!

Wir holten ihn vom Zug ab und ich wurde ersteinmal kraeftig von ihm durch die Gegend geschleudert - mein Bruder ist mittlerweile 2 Meter gross und freute sich riesig mich wieder zu sehen! (Was natuerlich auf Gegenseitigkeit beruht, nur kann ich ihn schlecht so herum tragen...). Durch unsere abenteuerliche Vergangenheit (und Zukunft!) fuehlen wir uns immer sehr verbunden. 

Da ist es - das ALLERERSTE Foto nach 2einhalb Jahren auf dem alle 4 Kinder zu sehen sind!

Und ein Familienfoto
Wikingerschach spielen mit der ganzen Familie, Momente die ich wirklich genoss! Kurz gesagt - Mit Hoelzchen die man wirft versucht man die Holzkloetzchen der Gegnermannschaft um zu werfen.

Schon wir sind damals auf Ferdinand geritten - jetzt hat er sein Genick gebrochen, was Klein-David aber auch nicht vom Reiten abhält ;)

Aber es gab ja auch einen Anlass, warum ich genau jetzt wieder zurueck nach Deutschland gekommen war - die Silberhochzeit meiner Eltern! Einen Monat hatte ich Zeit um mit den Vorbereitungen zu helfen, aber ein Monat ist echt nicht viel wenn man nebenbei noch Leute treffen will und überhaupt erst einmal "ankommen" moechte. Meine Schwestern hatten schon unglaubliche Arbeit geleistet! Da war eine Hochzeitszeitung die noch fertig gestaltet werden musste, jeder Verwandte und all die Freunde meiner Eltern hatten hierfuer eine Seite gestaltet. Ich machte mich daran die Kerze zu verzieren und die Liederheftchen fuer die Messe anzulegen - wir sind naemlich katholisch (wenn auch nicht mehr alle in der Familie...) und deshalb findet bei uns eine solche Veranstaltung in der Kirche statt.



Fuerbitten wurden von meiner Mutter geschrieben und von uns Kindern spaeter vorgetragen. Essen wurde ausgesucht und bestellt, der Raum war schon lange reserviert worden, ein Alleinunterhalter fuer den Abend besorgt. Wir Kinder schenkten ein Wochenende auf dem Bauernhof und den Eintritt ins "Klimahaus" in Bremen, eine Reise durch die unterschiedlichen Klimazonen der Welt, immer entlang des 8. Laengengrades. Eine wunderbare Erfahrung, ich war schon da! Meine Schwester und ihre Familie "bauten" hierfuer einen kleinen Bauernhof im Koffer, ich schrieb ein unterhaltendes Abendprogramm, alle anderen Abendprogramme wurden in eine synchronische Reihenfolge gebracht... Ja, hinter so einer Feier steckt eine Menge Arbeit und dann ist alles schon wieder an einem Tag vorbei! Naja, in diesem Fall wurde aber eigentlich die ganze Woche gefeiert, erst treffen zum Girlande wickeln, dann Polterabend und Girlande aufhaengen, dann zufaellig der Geburtstag meines Vaters (nachdem der Geburtstag meiner Mutter zwei Wochen vorher gefeiert wurde) und dann die eigentliche Feier!

Das Haus wurde verziert...

Doch die meiste Arbeit machte etwas anderes - und es war gleichzeitig das Schoenste und Beste was mir passieren konnte. Die Musik! Die musikalische Messgestaltung die vor allem in den Haenden von Martina und mir lag und in der ich unglaublich aufging und für eine Zeit lang alle schlechten Gefuehle in irgendwelche versteckten Ecken schieben konnte.

Ich erinnere mich wie Martina und ich das erste Mal in ihrem Zimmer sassen und probten, Jaaks einziger Komentar war "na da müsst ihr aber noch ein wenig proben". Da hatten wir noch 3 Wochen Zeit... Und dann der Tag an dem alle vier Geschister versammelt waren, zum ERSTEN Mal wieder versammelt waren! Norbert hatte seine schon halb verstaubte Trompete mitgebracht die seit einigen Jahren schon in der Ecke stand,  Anette wuerde nur fuer die Eltern mal wieder singen. Ich trommelte auf dem Koffer fuer den Bauernhof weil wir die Trommel vergessen hatten, Martina spielte Klavier oder so... Aber bereits nach einer Zeile war es wieder vorbei - der erste Versuch hatte in einem absoluten Chaos geendet der uns teilweise so zum Lachen gebracht hatte, dass ich mich auf dem Boden kruemmte und vor Freude weinte. Das war ein herrlicher Tag, tief in meiner Erinnerung eingegraben. Und wer haette es gedacht - in nur 3 Wochen zauberten wir ein herrliches Programm aus dem Ärmel, ja, ein ganzes Orchester spielte! Ich hatte ein altes Querfloetenstueck wieder heraus gegraben welches bekannt wurde als ich es damals mit 16 auf einigen Konzerten und Wettbewerben gespielt hatte, mein Onkel hatte sich schnell in 5 Tagen (!) die recht schwierige Klavierbegleitung beigebracht und das war unser Eroeffnungsstueck. Mein Vater erkannte es bereits an den ersten Takten. Wir wechselten staendig zwischen den Instrumenten, jeder durfte mal trommeln und alles endete in einem Orchester bestehend aus Floete, Klavier, Gitarre, Trommel, Gesang, Trompete, Geige, Cello und den allseits beliebten Rasseleiern (die sind schon einmal mit mir um die halbe Welt gereist!).





 
Und dann gabs natuerlich eine ordentliche Feier!




Selbst klein David hatte sich mit seinem Anzug fein gemacht! Toben durfte er zu seinem grossen Glueck trotzdem.



Das Geschenk der Geschwister war ein Bild welches meine Eltern sich gewuenscht hatten. Ein Maler hatte unsere Familie gemalt, zusammen auf dem Floss, vor dem Zelt, am Wasser in einem unserer zahlreichen Urlaube in Mecklenburg Vorpommern oder ueber ihre letzten schoenen Naturerfahrungen in Schweden.

Wie gesagt - Monate an Vorbereitung enden letztendlich an nur einem Tag. Und dann ging es sehr schnell mit dem Abschied nehmen. Samstag war die Feier, Sonntag fuhren Anette, Dominik und David wieder nach Giessen, Norbert und Anna nach Zinnowitz auf Usedom und Jaak und ich fuhren nach Erfurt. Wir waren naemlich vor 3 Wochen schon einmal da gewesen und hatten bei einer Freundin uebernachtet, wir grillten und ein paar Freunde wurden eingeladen. Da kam ein Maedel auf mich zu welches im "Regenbogenkindergarten" in Erfurt arbeitet, ein Kindergarten nach alternativem und freiem Konzept in welchem ich waehrend meiner Ausbildung bereits dreimal Praktikum gemacht hatte. Nun boten sie mir einen Job an - fuer ein Jahr haette ich sofort abgelehnt, aber es war ein Job fuer 3 Wochen! Eine der Erzieherinnen (oder Bezugspersonen wie sie hier genannt werden) wollte schon frueher in ihr Babyjahr gehen und so brauchten sie uebergangsweise jemanden bis sie jemand anderes vertreten konnte. Auch meine Mutti hatte mir so gut wie ein paar Stunden im katholischen Kindergarten in Muehlhausen besorgt in dem sie arbeitet, doch ein Tapetenwechsel war mir sehr willkommen und in Erfurt konnte ich nun auch endlich all meine Freunde wieder sehen! Ich war echt geruehrt, nicht nur ueber das Jobangebot sondern vor allem auch weil mir gleich etliche Freunde anboten ich koennte fuer die paar Wochen bei ihnen unterkommen, das war gar kein Problem. Also fuhren Jaak und ich an diesem Sonntag den 13. Mai nach Erfurt, am naechsten Tag wuerde ich meine Arbeit beginnen, wir wuerden in der Wohnung einer Freundin und ihrem Freund unterkommen die fuer die ersten anderthalb Wochen nach "Sri Lanka" verreist waren. Ein Abschied von der Familie - ein Willkommen an alle Freunde!


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